TY - JOUR AU - Schuldt, Karsten T1 - Neutralität als bürgerliche Bibliotheksideologie JF - LIBREAS. Library Ideas IS - 35 PY - 2019 UR - https://libreas.eu/ausgabe35/schuldt/ AB - Dass Bibliotheken bei Bestandsaufbau und -vermittlung die inhaltliche Neutralität als Leitbild haben, ist Ausdruck eines konkreten Weltbildes. Nur aus einem spezifischen Verständnis davon, wie Gesellschaft funktioniert, lässt sich "Neutralität" als anzustrebendes Ziel als praktisch unhinterfragbar positiv werten oder gar behaupten, dass Bibliotheken tatsächlich neutrale Räume und Institutionen wären (also das Ziel und Realität in eins fallen würden). Dieses Weltbild soll in diesem Text allerdings nicht direkt untersucht, also keine Ideologiekritik betrieben werden. Das wäre ein zu komplexes Unternehmen, schon weil es notwendig wäre, die Veränderungen desselben über die Jahrzehnte nachzuzeichnen. Es soll hier auch keine inhaltliche Kritik des Weltbilds unternommen werden. Was in diesem Text stattdessen versucht wird, ist anhand der Geschichte eines heute verschwundenen Bibliothekstyps – dem der "Arbeiterbibliotheken"1 – vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland und Österreich zu zeigen, dass die Grundidee, eine Öffentliche Bibliothek müsse neutral sein im Bezug auf Zugang, Angebot, Vermittlung und Bestand, nicht alternativlos ist. Lange existierten Bibliotheken, die dies explizit nicht waren, die zugleich ihre Abgrenzung zu "neutralen" Bibliotheken begründeten und die zudem erfolgreich arbeiteten. Wenn die heute propagierte Form von Öffentlichen Bibliotheken aber nicht alternativlos ist, dann lässt sich sinnvoll fragen, wieso sie dann heute so ist, wie sie ist oder sein soll, wie sie sein soll. Geschichte macht hier das Nachdenken über die Aufgaben und Möglichkeiten von Bibliotheken komplexer. Der Text ist wie folgt aufgebaut: Zuerst wird kurz die Geschichte der "Arbeiterbibliotheken" geschildert. (2) Dazu ist es notwendig, den Kontext – also die sozialistische Bewegung und die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit – zu skizzieren. Anschliessend wird die Argumentation der Bibliotheken für ihre eigene Existenz und für ihre Abgrenzung von anderen Bibliothekstypen, insbesondere den Lesehallen, und ihre Kritik an diesen dargelegt. (3) Interessant ist – wie geschildert werden wird –, dass die "Arbeiterbibliotheken" trotz ihrer Kritik grundlegende Überzeugungen mit den von ihnen kritisierten "bürgerlichen Bibliotheken" (und weiteren Bibliothekstypen) teilten. Vor dem Fazit wird das Ende der "Arbeiterbibliotheken" besprochen, da anders die Frage, ob ihre Kritik weiterhin berechtigt ist oder als erledigt gelten kann, nicht fair anzugehen wäre. (4) Auf dieser Basis wird im Fazit diskutiert, ob das Beispiel der Kritik der "Arbeiterbibliotheken" auch etwas über die Weltanschauung sagt, aus der heraus heute die "Neutralität" von Bibliotheken als anzustrebendes Ziel hergeleitet wird, oder ob sie ein rein historischer Fakt ist. (5) T4 - Die Kritik der "Arbeiterbibliotheken" zu Beginn des 20. Jahrhunderts Y3 - 17.06.2020 M4 - Citavi ER -