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Innovative Bildung für nachhaltige Entwicklung
Innovative Bildung für nachhaltige Entwicklung

Innovative Bildung für nachhaltige Entwicklung

Spätestens mit der Verabschiedung der 17 Sustainable Development Goals (SDG) durch die Vereinten Nationen (UN) im Herbst 2015 ist es amtlich, welche konkreten Ziele mit nachhaltiger Entwicklung erreicht werden sollen. Eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hat zum Hauptziel, eine sogenannte Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit zu vermitteln. Dabei ist auf unterschiedlichen Bildungsebenen und Altersstufen anzusetzen.

Text: Prof. Dr. Tobias Luthe, Prof. Dr. Ivan Nikitin / Bild: Prof. Dr. Tobias Luthe

Spätestens mit der Verabschiedung der 17 Sustainable Development Goals (SDG) durch die Vereinten Nationen (UN) im Herbst 2015 ist es quasi amtlich, welche konkreten Ziele mit nachhaltiger Entwicklung erreicht werden sollen. Der offizielle Titel der SDG lautet «Transformation unserer Welt» bzw. «Agenda 2030». Die darin formulierten politischen Zielsetzungen gelten für alle Staaten und wurden in Anlehnung an den Entwicklungsprozess der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) entworfen. Sie sollen der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen.

Eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) kann und sollte sich inhaltlich an den SDG orientieren. BNE hat zum Hauptziel, eine sogenannte Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit zu vermitteln; diese meint das aktive (Mit-)Gestalten zukunftsfähiger Entwicklung, die sozial, ökologisch und ökonomisch fair und langfristig tragfähig ist . Dabei ist auf unterschiedlichen Bildungsebenen und Alterststufen anzusetzen, wie etwa der frühkindlichen Bildung, in der Schule, bei der beruflichen Bildung, in der Hochschule, und, für die allgemeine Gesellschaft, in Form von beiläufigem Lernen durch formale (organisierte, gerichtete) oder informelle (beiläufige, indirekte) Bildung.

Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit

Eine Grundlage für die Vermittlung und Erlangung von Gestaltungskompetenz ist die Schaffung eines gemeinsamen konzeptionellen und pragmatischen Verständnisses von Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit ist als dynamisches Konzept, nicht als statischer Zustand zu verstehen: Eine Balance von individueller und kollektiver sozialer und ökonomischer Zufriedenheit – unter Berücksichtigung kultureller Verschiedenheiten –, an die man sich auf Basis endlicher Naturressourcen nur mit Hilfe von neuester Technologie (Bsp. Mobilität) durch Partizipation annähert. Es gibt somit Zielsetzungen und Prozesse, nicht aber einen statischen Endzustand, sondern eine Dynamik der Entwicklung, die intrinsisch im Begriff Nachhaltigkeit enthalten ist. Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit basiert auf einem gewissen gemeinsamen Nenner in individuell unterschiedlichen mentalen Modellen von Nachhaltigkeit. Die beschriebene Konzeptualisierung anhand von sechs anstelle der etablierten drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie, Soziales) in Form eines Gebäudes zielt darauf ab, zu verstehen, dass wir ein individuelles Verständnis – mentale Modelle – von Nachhaltigkeit haben, dass aber gewisse Grundlagen und funktionale Zusammenhänge als universell verstanden werden können. Damit sollte sich ein gewisser gemeinsamer Nenner in unseren mentalen Modellen entwickeln, was wiederum Partizipation erleichtern kann.

BNE beinhaltet laut UN Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (2005-2014) drei Kompetenzarten, die Gestaltungskompetenz bewirken: fachliche, instrumentelle und mentale oder soziale Kompetenzen. Fachliche Kompetenzen im Kontext von Nachhaltigkeit sind Fachwissen in den Bereichen Ökonomie, Ökologie, Soziales, sowie im Bereich Technologie. In unserem westlichen Wirtschaftsmodell liegen die Schwerpunkte prinzipiell mehr auf der Vermittlung von ökonomischem und technischem Wissen. Auch die Bedeutung sozialer Verantwortung in Zeiten der Globalisierung und der Weiterentwicklung gesellschaftlicher Werte ist gestiegen.

Mehr Nähe zur Natur

Ökologisch-naturwissenschaftliches Fachwissen sowie ein Systemverständnis der natürlichen Prozesse und insbesondere der sozial-ökonomisch-technisch-ökologischen Vernetzungsthemen sollten verstärkt gelehrt und vermehrt in heutige Bildungsprogramme integriert werden. Es scheint, dass durch unsere heutige, industriell geprägte Lebensweise die gefühlte und mentale Nähe zur Natur abhanden gekommen ist, was zu einem Verlust an Wissen und Verständnis der Natur führen kann (z. B. Fletcher 2016). Globalen Veränderungen mit lokalen Auswirkungen wie dem Klimawandel ist jedoch nur durch ein hohes Mass an Partizipation zu begegnen, und hierzu braucht es ein Mindestmass an Ökosystemverständnis. Dieses Ökosystemverständnis ist die Voraussetzung für ökologische Nachhaltigkeit, welche den Erhalt der Natur und deren effiziente Nutzung ermöglichen soll. Ihre zentralen Bestandteile sind die Aufrechterhaltung der natürlichen Umwelt, der Schutz der Artenvielfalt und eine intensive Pflege der Lebensräume.

Geeignete didaktische Modelle hierzu sind insbesondere Outdoor-Erlebnisse zur spannenden und effektiven Vermittlung solchen Fachwissens. Diese sind im alpinen Raum besonders gut und einfach umzusetzen, wenn der organisatorische Rahmen dazu geeignet ist.

Vernetzungen sowie die Fähigkeit des Systemdenkens sind Kernbestandteile der instrumentellen Kompetenzen als zweiter Kompetenzart einer BNE. Alles ist vernetzt, jede Entscheidung hat direkte und indirekte Konsequenzen, wodurch Entscheidungsprozesse immer schwieriger werden. Umgang mit Komplexität und Entscheiden unter Unsicherheit müssen durch geeignete Lehr-Lern-Arrangements vermittelt werden, und hier ist gerade an Fachhochschulen der Unterschied der Hochschule zur Schule stärker zu definieren – durch die Übergabe von mehr Eigenverantwortung im Sinne von Gestaltungskompetenz an die Studierenden. Weitere instrumentelle Kompetenzen mit zunehmender Umsetzung in Bildungsprogrammen sind Achtsamkeit und Dankbarkeit – das Lernen, mit dem Ist zufriedener zu sein – sowie Kreativität und Design.

Mentale oder soziale Kompetenzen sind in unserer Gesellschaft von heute klare Schlüsselfähigkeiten, was durch Langzeitevaluationen – z. B. von Studierenden nach mehreren Jahren Berufstätigkeit – belegt wird. Die Selbstorganisation, das Arbeiten im Team, die Motivation anderer, Konfliktlösung, Selbstreflexion und Durchhaltevermögen stehen exemplarisch dafür.

Studierende machen eine Übung
Koordination, Kommunikation, Teamarbeit, die Balance finden - diese Nachhaltigkeitskompetenzen werden durch ein einfaches Spiel während einer Pause bei einer Mountainbike-Tour geschult.
Das sechsdimensionale «Sustainabuild»-Modell von Nachhaltigkeit (Luthe & von Kutzschenbach, in Revision)
Backcasting als Design-Thinking-Technik für die Entwicklung von Nachhaltigkeitsvisionen.

Lernen mit allen Sinnen

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, welche Funktionen BNE übernehmen kann. Insgesamt sind die Forderungen an BNE hoch, da viele Initiativen und Projekte auf BNE aufbauen und dementsprechend geeignete didaktische Kompetenzen voraussetzen. Dieser Reigen von Fähigkeiten als Teil von Gestaltungskompetenz in einer BNE bedingt die Nutzung unterschiedlicher didaktischer Modelle, das sogenannte ganzheitliche Lernen. Ganzheitliches Lernen beschreibt die Gesamtheit an Lerntechniken und Lernorten; es ist bewusst und unbewusst, formal und informell, theoretisch und praktisch, outdoor und indoor, multimedial oder frontal (Heckmair & Michel 2002). Ganzheitliches Lernen ist Lernen mit allen Sinnen. Unser westliches Bildungssystem ist traditionell primär auf die Vermittlung von Fachwissen ausgerichtet, was Auswirkungen auf die Art der Wissensvermittlung u. a. an Hochschulen hat. Meistens wird Hochschullehre in Form von klassischem Frontalunterricht durchgeführt, was oftmals auch seine Berechtigung hat. Gerade in der Didaktik einer BNE bedarf es jedoch einer grösseren Vielfalt und eines Mixes an didaktischen Formaten, um drei Hauptprinzipien der Didaktik für die Nachhaltigkeitsbildung zu entsprechen (Bolscho 1998):

  • Interdisziplinarität
  • Situationsorientierung
  • Handlungsorientierung

E-Learning, in Kombination mit klassischem Unterricht auch als Blended Learning bezeichnet, sowie MOOC (Massive Open Online Courses) sind ergänzende Methoden zu erfahrungsbasiertem Outdoor-Lernen, zu Erlebnispädagogik, Design Thinking und Storytelling. Es bedarf jedoch eines flexibel organisierten organisatorischen Rahmens, um sich vom Unterricht im Klassenraum zu lösen und solch ganzheitliche Methoden umsetzen zu können.

Lernen in und von Ökosystemen 

Spannende und erfolgreiche Umsetzungen bei der Nutzung einer Vielfalt an didaktischen Modellen im Sinne eines ganzheitlichen Lernens in der Hochschulbildung gibt es einige. Das Sustainability Leadership Training (SLT) beispielsweise, welches seit mehr als zehn Jahren am Zentrum für Schlüsselqualifikationen der Universität Freiburg i. Br. durchgeführt wird (Luthe 2007) sowie das Bachelor-Studium in Liberal Arts and Science an der Quest University in Squamish, British Columbia. Beide Programme profitieren von einer hohen Flexibilität in der zeitlichen Kursgestaltung und arbeiten in einem Blockformat. Dadurch kann viel Zeit in der Natur gestaltet werden, sei es durch erlebnispädagogische Inhalte wie eine Kayak-Tour zum Trainieren sozialer Schlüsselkompetenzen, sei es durch erfahrungsbasierte Kreativtechniken wie Land Art in Form eines visuellen Kommunikations- und Achtsamkeitstrainings durch Fotografie und Storytelling, oder indem eine Biologin und ein Musiker zusammen einen dreiwöchigen Ökologiekurs in einem Zeltlager auf Vancouver Island gestalten – immer spielt Lernen in und von Ökosystemen mit und von anderen durch bleibende Erlebnisse, outdoor, eine zentrale Rolle. Die Quest University hat dazu etabliert, dass Studierende während des ersten Studienjahres mit Hilfe der Dozierenden eine individuelle Leitfrage für ihren weiteren Studienverlauf formulieren und eine Vielzahl weiterer dazu passender Kurse wählen dürfen. Quest University ist aus Studierendensicht wiederholt die beliebteste Hochschule Nordamerikas.

Auch an der FH Graubünden gibt es erfolgreiche Umsetzungen einer BNE. Die strategische Initiative zur Integration von Nachhaltigkeit in Lehre und Forschung erarbeitet einen Massnahmenplan, um BNE in die Fachhochschule in breitem Masse zu integrieren. Dozierende sollen die Möglichkeit erhalten, zusätzliche Gastdozierende aus der Nachhaltigkeitspraxis einzuladen und somit den Studierenden spannende und konkrete Einblicke in die Umsetzung von Nachhaltigkeit zu bieten. Die Dozierenden erhalten gleichzeitig zusätzliche Möglichkeiten, BNE auch in vermeintlich «nachhaltigkeits-fernere» Fächer zu integrieren – beispielsweise in Mathematik oder Rechnungswesen. Im Rahmen der BNE-Umsetzung wurden die Dozierenden frühzeitig und direkt eingebunden. Eine hochschulweite Umfrage zeigte auf, welche Studiengänge und Dozierende daran interessiert sind, das Thema Nachhaltigkeit inhaltlich – und unterstützt durch geeignete didaktische Modelle – in ihre Lehre (verstärkt) aufzunehmen. Darauf aufbauend wurde ein abgestimmtes didaktisches Konzept entwickelt, in welche Lehrveranstaltungen und in welcher Form die Nachhaltigkeitsthematik in die Lehre integriert wird. Durch diesen BNE-Ansatz werden die Dozierende motiviert und ihr Unterricht wird, bei weniger Arbeitsanfall, bereichert. Sie können geeignete didaktische Modelle indirekt kennenlernen. In Folge können die Nachhaltigkeitsinhalte den Studierenden durch geeignete didaktische Modelle vermittelt werden.

Trotz der leider nicht für alle Fächer vorhandenen Flexibilität eines Blockunterrichtes werden im Folgenden zwei erfolgreiche Umsetzungen einer BNE im Institut für Tourismus und Freizeit ITF skizziert. In beiden Kursen wird versucht, ganzheitliches Lernen mit passenden didaktischen Modellen – handlungsorientiert, interdisziplinär, die drei Kompetenzarten von BNE integrierend und unter deutlichem Einbezug eines sozial-ökologischen Systemverständnisses – zu fördern.

Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit

Im Wahlfach «Sustainability Empowerment» des Bachelor-Studiengangs Tourismus ist Gestaltungskompetenz für Nachhaltigkeit das Ziel. Ausgehend vom anfangs skizzierten Nachhaltigkeitsmodell fokussiert sich dieses Wahlfach auf eine meta-kognitive, visuelle Kommunikation von Nachhaltigkeit. Partizipation wird durch Kommunikation und Integration gefördert, durch die Fähigkeit, andere Menschen zu motivieren, zu interessieren und zu begeistern. Kreativität, Phantasie, Visualisierung und Storytelling sind Kernbestandteile der zu erlernenden Fähigkeiten, die auf solidem Fach- und Systemwissen aus dem Kurs aufbauen. Am Ende dieses einsemestrigen Kurses haben die Studierenden Visionen einer nachhaltigen Zukunft für den Tourismus in Graubünden entwickelt.

Sogenanntes Design Thinking nutzt die Kreativitätsmethode von Designern: Auf einem blanken Blatt Papier werden Ideen und Visionen eines «idealisiert» nachhaltigen Tourismus im Jahre 2050 für den Kanton entwickelt. Dabei lässt man sich nicht vom momentanen Ist-Zustand und den heutigen Problemen einschränken, sondern darf «out of the box» denken. Dies ermöglicht ein Sich-Loslösen von bestehenden Barrieren und führt zu freierem Denken. Von dieser Vision wird dann über eine Rückschau – «backcasting» (nicht «forecasting») – zurück zum heutigen Zeitpunkt geschaut und der bestehende Gap zwischen der Vision und dem Heute wird durch konkrete Umsetzungsziele überbrückt.

Diese kreative Vision gilt es dann zu kommunizieren, um andere Menschen für Nachhaltigkeit zu interessieren, zu begeistern, ja sogar zum Mitmachen zu motivieren. Das wäre der Idealfall – die Stimulanz von Partizipation durch geeignete Kommunikation. Zumindest aber soll erreicht werden, dass Menschen offen und neutral bis positiv dem Thema Nachhaltigkeit gegenüberstehen.

Dazu erlernen die Studierenden spezielle Kommunikationstechniken: Ein Schauspieler und Kommunikationstrainer wird eingebunden, um die Erzähl-Technik von Geschichten zu trainieren – Storytelling ist eine besonders effektive Methode, informell und beiläufig am Beispiel anderer zu lernen, ohne direkte Handlungsempfehlungen zu geben und dadurch mögliche Abwehrreaktionen hervorzurufen. Eine Fotografin lehrt die Grundsätze guter Fotografie und visueller Kommunikation, um das Geschichten-Erzählen – hier die Nachhaltigkeitsvision 2050 – visuell zu unterstützen. Dabei werden sowohl die Fotografie als auch Cinematografie eingesetzt und es besteht die Möglichkeit, eine Drohne für neue Perspektiven zu nutzen.

Beim Zusammensetzen der einzelnen Techniken in Form eines Multimedia-Blogs, was in Eigenverantwortung erlernt wird, sind Teamarbeit, Konfliktlösung und Durchhaltevermögen gefragt. Diese Kommunikationsinhalte werden durch Nachhaltigkeitsfachwissen und die Vermittlung eines Systemverständnisses ergänzt, was sowohl durch Frontalunterricht und Diskussionen im Seminarstil als auch durch rund zweistündige Spaziergänge in den Rheinauen erfolgt. Bei diesem Outdoor-Element, das auch im kurzen Rahmen von zwei bis vier Unterrichtsstunden möglich ist, werden insbesondere ökologisches Fachwissen und sozial-ökologische Zusammenhänge erklärt. Die Studierenden lösen dabei Aufgaben, fokussieren sich beim Fotografieren und diskutieren mit der dozierenden Person.

Der didaktische Mix dieses Kurses erscheint deshalb so effektiv, weil die Studierenden Nachhaltigkeit als etwas Positives und Spannendes erleben und dabei bewusst, also meta-kognitiv, ihre eigenen mentalen Modelle von Nachhaltigkeit formen. Dies befähigt sie, auch andere Menschen zur notwendigen Partizipation zugunsten der Nachhaltigkeitstransformation zu motivieren, und entspricht damit dem Kursziel.

Kreative Visionen für Berufsfachleute

Im Master of Advanced Studies in Hotel- und Tourismusmanagement, einem Weiterbildungsmaster, wird mit einer ganz anderen Klientel als in einem Bachelor-Studiengang gearbeitet. Die Studierenden sind hier bereits im Beruf und damit auf Effizienz bezüglich Zeit- und Geldeinsatz getrimmt. Es existiert (leider) wenig Lust und Verständnis, um beispielsweise Kreativitätsaspekte gemeinsam zu entwickeln oder in der Natur zu erkunden: Konkrete Inhalte effizient unterzubringen ist hier der Anspruch. Man möchte in kurzer Zeit möglichst viel Input für die Studiengebühren und den Ausfall an Arbeitszeit. Dies ist verständlich, schränkt jedoch die didaktischen Möglichkeiten einer BNE eklatant ein. Zwei Tage mit je acht Stunden Unterricht zum Thema Nachhaltigkeit in der Hotellerie an Profis in ihrem Metier aufzubereiten – das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dennoch können hier interaktive Formate, Diskussionen, ein gewisses Mass an Eigen- und Teamarbeit sowie natürlich ausgiebiges Fachwissen, aber auch Systemverständnis im Sinne einer BNE gelehrt werden. Am Ende wird das Programm jedoch an seiner Effizienz und Verständlichkeit sowie an seinem Praxisnutzen gemessen.

Basierend auf dieser Ausgangslage ist es in diesem Kurs das Ziel, einen Nachhaltigkeitsbericht für das eigene Hotel zu erstellen. Dies ist ein konkreter, bewertbarer Output mit hohem Nutzen. Es gibt Raum für Medienkompetenz, für visuelle Kommunikation, für Storytelling, aber auch einen Bedarf für ein vertieftes Systemverständnis der ökologisch-sozial-ökonomisch-technischen Zusammenhänge. Der internationale Standard der Global Reporting Initiative (GRI) für Nachhaltigkeitsberichterstattung mit seinen Indikatoren wird erlernt, der Carbon- und der Water-Footprint des Unternehmens werden annäherungsweise berechnet und es gibt Platz für die kreativen Visionen eines nachhaltigeren Unternehmens. Die fachlichen Grundlagen werden in der Präsenzzeit gelegt, die Berichte dann in Eigen- und Teamarbeit fertiggestellt, wobei die gelernten Inhalte durch Anwendung reflektiert und vertieft werden.

Das Feedback einer Teilnehmerin darf daher exemplarisch für die Wahl dieser didaktischen Kombination der BNE für eine Weiterbildungsklientel gelten: «Gerne senden wir anbei unseren Leistungsnachweis in Form eines Nachhaltigkeitsberichts für das Hotel XY ein. Wir bedanken uns, dass wir uns im Rahmen dieser Arbeit mit dem Thema Nachhaltigkeit im eigenen Betrieb auseinandersetzen und neue Erkenntnisse erlangen konnten.»

Befähigung und Motivation für Nachhaltigkeit

Die UN Weltdekade BNE wurde 2015 durch das UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung (bis 2019) abgelöst und zielt auf eine systemische Veränderung des Bildungssystems ab, um BNE ausgehend von einer Vielzahl bestehender Projekte in der Struktur zu verankern. Es leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Aufgabe der Hochschulen wird es vermehrt sein, die eigenen Studierenden und das wissenschaftliche und organisatorische Personal im Sinne einer BNE zu befähigen und sie zu motivieren, Nachhaltigkeit zu gestalten und als motivierte Multiplikatoren mitzuhelfen, die gesellschaftliche Partizipation an einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern. Mit der strategischen Initiative Nachhaltigkeit und der neu gegründeten Nachhaltigkeitskommission erarbeitet die FH Graubünden zurzeit die Grundlagen hierfür.

Beitrag von

Tobias Luthe, Prof. Dr.

Professor für Nachhaltigkeitswissenschaft, Institut für Tourismus und Freizeit (ITF)

 

Ivan Nikitin, Prof. Dr.

Professor für Projektmanagement, Zentrum für Betriebswirtschaftslehre (ZBW)