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Pforte zur Bündner Forschung
Pforte zur Bündner Forschung

Pforte zur Bündner Forschung

Seit gut einem Jahr amtet Duri Bezzola als Geschäftsführer der Academia Raetica sowie der Graduate School Graubünden. Dank dieser Institutionen soll das wissenschaftliche und volkswirtschaftliche Potenzial der Forschung in Graubünden vermehrt zum Tragen kommen.

Text: Flurina Simeon / Bild: Ralph Feiner

Herr Bezzola, beschreiben Sie bitte kurz die Aufgaben und Ziele der Academia Raetica. 
Die Academia Raetica ist ein Verein, welcher von Bündner Forschungsinstitutionen gegründet wurde. Wir möchten die Bedeutung der Forschung in Graubünden für die Gesellschaft sichtbar machen. Zudem fördern wir den Austausch zwischen den Mitgliedinstitutionen und bieten als Fachstelle den Zugang zu deren Know-how. Zudem will die Academia Raetica dem Kanton Graubünden ein konstruktiver Partner für die Umsetzung der kantonalen Forschungsstrategiesein. Regierung und Verwaltung sind auf den Dialog und den Input der Bündner Forschung und Hochschulen angewiesen, um ihre Fördermassnahmen auf einer realen Basis aufzubauen.

Wie ist es möglich, dass schon seit rund 100 Jahren weltweit beachtete Spitzenforschung aus Graubünden kommt? 
Graubünden hat gegenüber anderen Berggebieten das Glück einer langen wissenschaftlichen Tradition. Diese fusst auf dem Kur- und Wintertourismus sowie auf der Höhenlage. Auf der Basis der Lungenbehandlungen entwickelte sich in Davos das Schweizerische Institut für Allergie- und Asthmaforschung. Die Knochenbrüche im Skisport waren der Nährboden für die heutige Chirurgie-Forschung der AO Foundation. Die Höhenlage auf über 1500 Metern lieferte auch für weitere Forschung die Basis: Das Physikalisch-Meteorologische Observatorium Davos(Weltstrahlungszentrum) profitiert von der klaren Sicht in den Weltraum. Für die Tätigkeit des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung bilden die Berge und der Wald die Grundlage.

Uns ist aber bewusst, dass die heutige Forschung nicht mehr geographisch gebunden ist. Entsprechend sind Anstrengungen nötig, damit die Mitgliedinstitutionen weiterhin in Graubünden bleiben. Die tolle Lebensqualität in Graubünden ist ein Trumpf, welcher heute vermehrt ausgespielt werden muss. Dies bedingt jedoch die entsprechende Unterstützung der Projekte sowie der Forschenden und ihrer Familien, welche von innerhalb und ausserhalb der Schweiz nach Graubünden ziehen. Die Bündner Spitzenforschung besteht bildhaft aus hohen, aber schmalen Felsnadeln, welche es zu verbreitern und zu verbinden gilt.

Mit welchen Massnahmen unterstützt die Academia Raetica eine nachhaltige Entwicklung des Forschungsplatzes Graubünden? 
Auch wenn die Nachhaltigkeit in unserem Arbeitskonzept nicht erwähnt wird, bin ich überzeugt, dass wir dazu aus gesamtgesellschaftlicher Sicht einen schönen Beitrag leisten, denn es geht ja darum, die Forschung in Graubünden zu halten. Die Bündner Forschung soll dank dieses Verbunds gestärkt werden und somit ihr volkswirtschaftliches Potenzial für Graubünden vermehrt entfalten können. Für den Kanton bilden die Forschung und die Hochschulen eine Möglichkeit, die Stagnation in der Wasserkraft und im Tourismus etwas zu kompensieren – dies insbesondere, wenn man bedenkt, dass die schweizerische Wachstumsrate im Bereich Forschung doppelt so hoch als jene Graubündens ist. Die weltweite Zunahme der Forschung ist eine Tatsache. Die Frage ist nur, ob diese mit oder ohne Graubünden stattfindet! Aus meiner Optik begingen wir in Graubünden einen grossen Fehler, wenn wir nicht vermehrt auf dieses Pferd setzten. Dank der bestehenden Basis müssen wir hier, im Gegensatz zu anderen Regionen, nicht bei Null anfangen.

Auf der Basis der Lungenbehandlungen entwickelte sich in Davos das Schweizerische Institut für Allergie- und Asthmaforschung, welches heute in Graubünden Spitzenforschung betreibt.
Die Arbeit des Instituts für Schnee- und Lawinenforschung ist ein weiteres Beispiel für Spitzenforschung in Graubünden.
Duri Bezzola ist Geschäftsführer sowohl der Academia Raetica als auch der Graduate School Graubünden.

Wie steht es um die Zusammenarbeit der Academia Raetica mit der FH Graubünden?
Wie bereits gesagt, ist die FH Graubünden eine wichtige Partnerin für die Academia Raetica und für die Graduate School Graubünden. Es freut mich ausserordentlich, dass sich Dozierende der Bündner Fachhochschule als Kursleiterinnen und Kursleiter für die Weiterbildungsangebote der Graduate School engagieren. Insbesondere auf institutioneller Ebene sehe ich die FH Graubünden als wichtige Akteurin, sogar in einer Sonderrolle hinsichtlich der Verknüpfung der wissenschaftlichen Institutionen des Hochschul- und Forschungsstandorts Chur zu einem Zusammenarbeits-Verbund

Neben der Academia Raetica sind Sie auch Geschäftsführer der Graduate School Graubünden. Was sind deren Aufgaben und Ziele?
Die Graduate School Graubünden ist das zurzeit wichtigste Projekt der Academia Raetica. Sie ist von der Bündner Regierung damit beauftragt, den wissenschaftlichen Nachwuchs im Kanton zu stärken. Die Academia Raetica führte bereits früher Fördermassnahmen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Angebot. Diese sind – als Leistungsauftrag des Kantons – seit Ende 2013 Teil der Graduate School.

Eine der Aufgaben ist der Aufbau von ergänzenden Aus- und Weiterbildungsangeboten für Master-Studierende, Doktorierende und Post-Doktorierende. Erste Kurse sind bereits letzten Herbst angelaufen. Hier sammeln wir Erfahrungen, um das Angebot künftig zu verfeinern. Zur Förderung des wissenschaftlichen Austauschs junger Forschender organisiert die Graduate School alle zwei Jahre den Kongress «Graubünden forscht». Die nächste Durchführung dieses «Young Scientists in Contest» findet im September 2016 statt. Dieser Wettbewerb bietet einerseits die Gelegenheit, sich ein für die zukünftige Karriere wichtiges Netzwerk aufzubauen, und fordert andererseits von den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Essenz ihrer Arbeit herauszuarbeiten und diese auch erfolgreich zu kommunizieren.

Graubünden profitiert vom Brain Gain der zugezogenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Entsprechend sehen wir es auch als unsere Aufgabe, den jungen Forschenden und ihren Familien Sorge zu tragen und sicherzustellen, dass sie die notwendige Unterstützung erhalten, sei es für ihre Karriere, sei es für ihr Privatleben, damit sie hier gut aufgehoben arbeiten und leben zu können.

Wo sehen Sie die Graduate School Graubünden in zwei bis vier Jahren?
Die Angebote sollen den Bedürfnissen entsprechend weiterentwickelt und die Kooperationen zwischen den Forschenden und Institutionen verstärkt gefördert werden. Zudem möchten wir das in Graubünden vorhandene Know-how bezüglich Projekt-Akquise bündeln und damit die Akquisition von Projekten und Geldern für die Forschung fördern.

Über Duri Bezzola

Duri Bezzola ist seit Juli 2015 Geschäftsführer der Academia Raetica und der Graduate School Graubünden. Er wurde 1958 in St. Moritz geboren und wohnt in Samedan. Er studierte an der ETH Zürich Forstwissenschaften (dipl. Forsting. ETH) und an der Universität St. Gallen Unternehmungsführung (Executive MBA HSG). Nach seiner Tätigkeit als Kreisforstingenieur in Davos übernahm er Projektleitungen in der forstlichen Forschung und Beratung in Ruanda und Bolivien. Nach weiteren Projekt- und Beratungsarbeiten im Bereich Lebensraum und Tourismus im Engadin folgte u. a. die Geschäftsleitungstätigkeit am Lyceum Alpinum Zuoz. Während acht Jahren war er Mitglied des Grossen Rates des Kantons Graubünden sowie von dessen Kommission für Bildung und Kultur, als deren Sprecher er die parlamentarische Beratung des Hochschul- und Forschungsgesetzes innehatte.

Über die Academia Raetica

Die Academia Raetica ist Dachorganisation und Ansprechpartnerin für universitäre Forschung und Lehre in der Region Graubünden. Sie umfasst zwanzig medizinische, technische, natur-, geistes- und sozialwissenschaftliche institutionelle Mitglieder und neun Partnerinstitutionen. Zu den Aufgaben der Academia Raetica zählen die Entwicklung des Forschungsplatzes Graubünden in seiner wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung, die Förderung der Zusammenarbeit der Forschungsinstitutionen untereinander, mit den Hochschulen und der Wirtschaft sowie die Information von Öffentlichkeit, Politik und interessierten Kreisen über Umfang, Expertise und Ergebnisse der Bündner Forschung. Seit 2009 betreibt sie ihre Geschäftsstelle in Davos. Die Graduate School Graubünden ist ein Schlüsselprojekt der Academia Raetica auf Basis des Gesetzes über Hochschulen und Forschungseinrichtungen (GHF). Ihr Ziel ist es, die in der Region tätigen Doktorierenden und Post-Doktorierenden zu fördern, die Bündner Forschungsinstitutionen besser mit Schweizer Universitäten zu vernetzen und den Forschungs- und Ausbildungsplatz Graubünden zu stärken.

 

Wo sehen Sie die Graduate School Graubünden in zwei bis vier Jahren?
Die Angebote sollen den Bedürfnissen entsprechend weiterentwickelt und die Kooperationen zwischen den Forschenden und Institutionen verstärkt gefördert werden. Zudem möchten wir das in Graubünden vorhandene Know-how bezüglich Projekt-Akquise bündeln und damit die Akquisition von Projekten und Geldern für die Forschung fördern.

Was beinhalten die wichtigsten Aufgaben des Geschäftsführers der Academia Raetica und der Graduate School Graubünden?
Neben der üblichen Geschäftsleitung – seien es Führungsaufgaben, operative oder konzeptionelle Arbeiten – erachte ich den Kontakt zu unseren Institutionen sowie zur Bündner Politik und Verwaltung als eine meiner Kernaufgaben. Die Information von Öffentlichkeit und Politik soll Entscheide zu Gunsten des Hochschul- und Forschungsplatzes Graubünden begünstigen.

Sie haben sich politisch im Bündner Grossen Rat sowie in dessen Kommission für Bildung und Kultur engagiert. Dabei waren Sie massgeblich an der Ausarbeitung desGesetzes über Hochschulen und Forschung (GHF) beteiligt, welches seit Oktober 2012 in Kraft ist. 
Mit diesem Gesetz wurde zum ersten Mal eine solide Grundlage geschaffen, welche es der Bündner Regierung ermöglicht, kantonale aber auch unabhängige Forschungs- und Lehrinstitutionen finanziell zu unterstützen. Entsprechend ist das Gesetz wegweisend und gibt den hier beheimateten Institutionen eine gewisse Sicherheit. Dass ich damals, als Sprecher der Kommission, zur sehr guten Annahme dieses Gesetzes durch den Grossen Rat einen Beitrag leisten konnte, macht mich schon ein wenig stolz.

Wie leben Sie Nachhaltigkeit?
Ich nahm meine Ausbildung zum Forstingenieur zu einer Zeit in Angriff, als «Nachhaltigkeit» ausserhalb der Forstwirtschaft noch kein Begriff war. Für Forstleute ist, seit Einführung des Gebots zur Walderhaltung im 19. Jahrhundert, die Nachhaltigkeit oberstes Prinzip, nämlich nie mehr aus dem Wald zu entnehmen, als nachwächst. Entsprechend fand die Prägung für einen schonenden Umgang mit unseren Ressourcen bei mir bereits früh statt. In diesem Kontext zu sehen ist sicherlich auch mein Einsatz für die schweizerische Entwicklungszusammenarbeit, sowohl in Ruanda als auch in Bolivien, bei welchem nachhaltige Waldwirtschaft und Aufforstungen im Zentrum standen. Bereits bei diesen Beispielen geht es ja nicht «nur» um den ökologischen Aspekt, sondern immer auch um Einkommen und soziale Anliegen.

Die wirtschaftliche Entwicklung stand bei meiner Funktion als Finanzchef des Lyceum Alpinum Zuoz dann im Zentrum. Aber auch da habe ich meine Aufgabe in einem weiteren Zusammenhang gesehen, denn es galt auch hier, sich der gesellschaftlichen, kulturellen und regionalwirtschaftlichen Bedeutung dieser internationalen Schule bewusst zu sein und indirekt auch die Entwicklung der Region zu unterstützen. Es ist sicherlich so, dass ich meine Motivation immer aus dem tieferen Sinn der Tätigkeiten geholt habe und auch weiterhin hole.

Beitrag von

Flurina Simeon

Kommunikationsbeauftragte der FH Graubünden