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«Innovation» aus den Effizienzlaboren
«Innovation» aus den Effizienzlaboren

«Innovation» aus den Effizienzlaboren

Die Dienstleistungslabore für Energieeffizienz und elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) an der FH Graubünden prüfen Konsumgeräte und Neuentwicklungen auf Einhaltung der geltenden Normen. Das Team unterstützt mit seinen Erfahrungen und Anregungen die Unternehmen bei der Verbesserung ihrer Produkte.

Text: Prof. Toni Venzin / Bild: Prof. Toni Venzin

Die Labore für elektrische Energieeffizienz und EMV haben die Aufgabe, Prüflinge in Bezug auf die Einhaltung aktueller Normen zu begutachten. Der Prüfablauf ist klar definiert, für Innovationen ist kein Platz darin vorgesehen. Wird eine Norm nicht eingehalten, so wird in der Regel ein negativer Prüfbericht erstellt; der Kunde resp. die Kundin zieht sich wieder ins eigene Labor zurück und versucht anhand der Messresultate und der Erkenntnisse aus den Messungen, das nicht normgerechte Verhalten zu korrigieren. Der nächste Messdurchlauf zeigt, ob mit den gemachten Anpassungen und Korrekturen die Normeinhaltung gewährleistet ist; im negativen Fall geht es wieder zurück ins Labor.

Innovatives Mess- und Prüflabor?

Die Labore des Instituts für Photonics und ICT IPI sind bezüglich Messgenauigkeit mit anderen Institutionen vergleichbar, sie sind aber nicht zertifiziert. Für die Unternehmen der Region hat dies den Vorteil, dass eine Entwicklung in der Fertigungsphase bereits auf Normeinhaltung getestet werden kann. Sind die gemessenen Werte ausserhalb der Norm, versuchen die Mitarbeitenden der Labore zusammen mit dem Unternehmen Lösungen für die Normerreichung zu erarbeiten. In dieser Phase liefern die Labore der Bündner Fachhochschule Innovationen. Wird bei weiteren Nachmessungen nun die Norm eingehalten, so kann die Firma das Produkt bei einer Zertifizierungsstelle prüfen und zertifizieren lassen, dies ist dann lediglich eine Formsache. Mit diesen Vorabtests spart das Unternehmen Zeit und Geld und wird in der Entwicklungsphase durch die Experten der Hochschule begleitet.

Innovative Messobjekte

Im Bereich Leuchtenherstellung fluten innovative Leuchten, ermöglicht durch die LED-Technik, die Verkaufsregale. Den Konsumentinnen und Konsumenten fällt es immer schwerer, ein passendes Produkt auszuwählen. Die aufgedruckten und durch das Verkaufspersonal übermittelten Leistungsmerkmale sind oft verwirrend statt hilfreich. Mit diesen Kenntnissen steuert das Ladenpersonal das Verkaufsgespräch, sodass der Kunde resp. die Kundin ein Produkt kauft, das dem Anschein nach qualitativ über der ursprünglichen Kaufvorstellung liegt.

So wird dem Kunden, der eine Tisch-Arbeitsleuchte anschaffen möchte, das innovative Produkt mit zwei USB-Schnittstellen schmackhaft gemacht, damit am Arbeitsplatz gleichzeitig das Mobiltelefon und das Tablet aufgeladen werden können. Mittels Lichtsteuerung kann die Arbeitsleuchte stufenlos angepasst, ja sogar die Farbtemperatur verändert werden. Ein wirklich innovatives Produkt!

Genau dieses innovative Produkt wurde im Leuchtenlabor ausgemessen und als ungenügend bewertet. Wie kann das sein? Im Leuchtenlabor werden nebst der Lichtqualität auch Energieeffizienz-Parameter gemessen. Bei dieser Leuchte wurde festgestellt, dass aufgrund der Positionierung des Betriebsgerätes als Steckeradapter und aufgrund des Touchdimmers und der beiden USB-Schnittstellen im ausgeschalteten Zustand ein hoher Standby-Energieverbrauch messbar ist. So fallen in einem Betriebsjahr 42 Prozent der Energiekosten der Leuchte für Standby an – ein Betriebsmodus, der von den Konsumentinnen und Konsumenten gemeinhin als „ausgeschaltet“ interpretiert wird.

Im Leuchtenlabor der FH Graubünden werden Lampen und Leuchten auf ihre Energieeffizienz hin gemessen und analysiert.
Eine Messung ist in vollem Gange.
Die Messresultate werden analysiert.

Herausforderung innovative Projekte

Die Labore und Dienstleistungen im Bereich Energieeffizienz stehen auch Erfindern und Erfinderinnen sowie Personen offen, die Innovationen entwickelt haben. Diese erwarten eine Prüfung ihrer Innovation bezüglich ihrer Energieeffizienz sowie eine positive Bescheinigung seitens der Labore. In den vergangenen zwei Jahren wurde das Laborpersonal von Einzelpersonen sowie Vertriebsorganisationen aufgesucht, die ein innovatives Produkt vertreiben möchten und die sich nun von den Laboren eine Bestätigung der Funktionsweise erhoffen. Bei den meisten Produkten bestanden beim IKT-Team bereits bei der Anfrage Zweifel bezüglich der Funktionstauglichkeit, da schon beim ersten Eindruck physikalische Grundgesetze ausgehebelt werden sollten.

Vier solcher innovativer Projektanfragen werden hier kurz beschrieben:

Innovationsprojekt 1: Beim ersten Innovationsprojekt handelte es sich um eine Energieerzeugung (Wandler) in einem geschlossenen Druckluftsystem, bei der aus wenig Energie-Input (Luft in Bewegung setzen) viel Output (Generator mit Luftstrom antreiben) erzeugt wird – mit negativem Verlust also. Das Vertriebsunternehmen hatte im Vorfeld schon einige Abklärungen getroffen und ersuchte die IPI-Labore, durch einen Versuchsaufbau den Nachweis dieser Funktion zu erbringen. Wie von den IKT-Fachleuten angenommen, konnten die Finanzierungspartner vom System nicht überzeugt werden; fehlende finanzielle Mittel stoppten den Versuchsaufbau und das Projekt wurde abgebrochen.

Innovationsprojekt 2: Bei diesem Projekt handelte es sich um eine elektrische Energieerzeugung aus der Umwelt – ein innovatives Projekt, das vom Entwicklungsunternehmen als autarkes System propagiert wurde. Die Labortechniker konnten das System besichtigen, bei der Demo funktionierte das System aufgrund einer defekten Steuerungseinheit aber nicht. Die IPI-Labore waren bereit für die Tests, das zu testende Produkt fehlt indes bis heute. Auch in diesem Projekt hat man versucht, physikalische Grundgesetze zu umgehen.

Innovationsprojekt 3: Eine Spezialflüssigkeit, die Übergangsverluste von elektrischen Leitern und Anschlüssen aufhebt, war ein weiteres Projekt. Das IPI-Team erstellte einen kleinen Versuchsaufbau, der aufzeigte, dass diese Flüssigkeit keine erfolgsversprechenden Merkmale aufwies.

Innovationsprojekt 4: Auch ein Energieeinsparungsmodul, das mit einer Reduktion von 20 Prozent warb, wurde gründlich untersucht. Ein solches System war bereits bei einer Bäckerei installiert und die monatliche Energiekostenrechnung war tatsächlich kleiner. Das Fachhochschulteam wollte das Modul genauer untersuchen, so wurde dieses kleiderschrankgrosse System im Labor auf Energieeinsparung getestet. Die Tests ergaben, dass mit dieser Anlage die Netzspannung von 230 Volt um ca. 10 Prozent gesenkt werden konnte, was auch der Toleranz für den Eingangsspannungsbereich von Geräten entspricht. Die meisten Anwendungsgeräte kommen mit der geringeren Spannung aus, der Kunde resp. die Kundin merkt davon nichts. Erst die Durchsicht der Energiebezüge lieferte die Erklärung, dass die Einsparungen dank der massiven Reduktion von Spitzenenergiebezügen ermöglicht wurden. Spitzenenergie wird separat und zu einem viel höheren Tarif verrechnet, also werden die Energiekosten um die Spitzenenergiekosten gesenkt. Das Energieeinsparungsmodul bewirkte also keine Energieeinsparung, sondern sorgte dafür, dass der Spitzenenergiebezug nur selten und kurzzeitig nötig war.

Beiträge zu Innovationen

Die Labore für Energieeffizienz und EMV tragen indirekt zur Einführung von Innovationen bei. Durch die langjährige Erfahrung mit Messungen und Kenntnis der Normen unterstützt das Laborteam Unternehmen bei der nachhaltigen Optimierung innovativer Produkte. Dank fundiertem Fachwissen kann aufgezeigt werden, wo Innovationen im Bereich Energieeffizienz notwendig sind. Die IPI-Fachleute informieren sowohl die Hersteller wie auch die Konsumentinnen und Konsumenten, dass Energie bewusst verbraucht und für nützliche Funktionen eingesetzt werden sollte. Entsprechend erwarten die Spezialisten, dass ein ausgeschaltetes Gerät keine Energie konsumiert.

Beitrag von

Toni Venzin, Prof.

Professor für Telekommunikation, Institut für Photonics und ICT (IPI)