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Innovationsunterstützung für Technologieunternehmen
Innovationsunterstützung für Technologieunternehmen

Innovationsunterstützung für Technologieunternehmen

Die Schweiz zählt zu den innovativsten Ländern weltweit. Trotz ihrer technologischen Kompetenz stehen aber auch Schweizer Technologieunternehmen vor der Herausforderung, sich in begrenzten Marktsegmenten und in Abhängigkeit von bestehenden Märkten zu behaupten und Wachstumspotenziale auszuschöpfen. Insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mangelt es an Ressourcen, Netzwerken und Marktkenntnissen, um diese Aufgabe zu bewältigen. Ein Team des SIFE der FH Graubünden sowie des IfU der FHNW Olten hat sich die Frage gestellt, mit welchen Methoden und Instrumenten diese Unternehmen unterstützt werden können.

Text: Dr. Katrin Schillo / Bild: Andrea Negele, Dr. Katrin Schillo

Im Rahmen des von der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) finanzierten Forschungsprojektes «TRD – Technologieverwandte Diversifikation von Unternehmen mit begrenzten Marktsegmenten» haben die beiden Hochschulteams in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen Consulta AG (Gesellschaft für Wirtschafts- und Unternehmensberatung) sowie den Wirtschaftspartnern Rieter Management AG, Process Point Service AG, Impac GmbH und swissplast AG nach Methoden gesucht, um den Zufall durch Planung zu ersetzen.

Den Kern des Projektes bildet dabei die sogenannte Lead-User-Methode. Sie wurde in den 1980er-Jahren vom MIT-Professor Eric von Hippel entwickelt und wird seither im Innovationsmanagement eingesetzt. Bei dieser Methode werden (potenzielle) Kundinnen und Kunden frühzeitig in den Innovationsprozess eingebunden und es werden – basierend auf ihren Bedürfnissen – neue Produkte entwickelt.

Aber warum macht man sich die Mühe, nach möglichen, zukünftigen Kunden zu suchen, wenn man noch nicht einmal ein passendes Produkt hat? In der Praxis hat sich gezeigt, dass häufig technologisch hochstehende Produkte entwickelt werden, die sich nicht an den Kundenbedürfnissen orientieren und deshalb scheitern. So das Beispiel eines Hörgeräteherstellers, der mit seinen technologischen Kompetenzen in den Kopfhörermarkt einsteigen wollte. Dabei entstanden ohne Zweifel technologisch hochwertige Kopfhörer, allerdings entsprachen weder das Design und der fehlende Markenname noch das Produkt, das als Set zum Selbst-Zusammenbauen geliefert wurde, den Kundenwünschen. Diesen klassischen, rein technologiegetriebenen Ansatz von Technologieunternehmen bei der Ideensuche zu umgehen und stattdessen einen Prozess zu entwickeln, der potenzielle Kunden in die Ideengenerierung mit einbezieht, ist Ziel des Projektes.

Diversifikationsziele definieren

Zunächst war es aber auch für das Forschungsteam wichtig zu verstehen, welche Fähigkeiten in den einzelnen Unternehmen vorhanden sind und wo die Kernkompetenzen liegen. In jedem Unternehmen wurden dazu Workshops durchgeführt und ein Kernkompetenz-Profil erstellt. Ebenso galt es, die individuellen Diversifikationsziele zu definieren: Diese reichen von den konkreten Umsatzzielen über die Unabhängigkeit von bestimmten Branchen oder Märkten bis hin zur Nutzung von bestehenden Technologien bzw. Auslastung bestimmter Maschinen. Den Abschluss des ersten Teils bildete die Auswahl von attraktiven und zukunftsträchtigen Zielmärkten.

Vorbereitung des Plenumsaals zum gemeinsamen Workshop mit allen beteiligten Partner im Lilienberg Unternehmerforum in Ermatingen Ende August 2015.
Begrüssung der Teilnehmenden zum Diversifikationsmodellworkshop und Vorstellung des Programms durch Projektleiter Prof. Dr. Andreas Ziltener.
Der Workshop «Kernkompetenzen» wurde bei jedem Partnerunternehmen durchgeführt und diente u.a. der Kernkompetenzanalyse sowie der Festlegung der Diversifikationsziele.

Lead-User identifizieren

In einem nächsten Schritt mussten die passenden Lead-User für den Zielmarkt jedes Wirtschaftspartners identifiziert werden. Nur: Wer sind diese Lead-User und was zeichnet sie aus? Unter Lead-Usern werden Personen (Kundinnen und Kunden) verstanden, die der Zeit voraus sind und nicht nur Probleme und zukünftige Bedürfnisse beschreiben können, sondern auch in der Lage sind, eine mögliche Lösung der Probleme zu skizzieren. Um diese innovativen und kreativen Köpfe zu finden, die bereit sind, ihre Ideen mit dem Projektteam zu teilen und gemeinsam neue zu entwickeln, ist viel Durchhaltevermögen und Überzeugungskraft nötig.

Grösster Vorteil für die Lead-User ist es natürlich, dass sie bereits in der Entwicklungsphase eingebunden werden und so früher als die Konkurrenz von den neuen Produkten oder Dienstleistungen profitieren können. Zur Identifizierung wurden mittels Pyramiden-Verfahren in unzähligen Gesprächen und Telefonaten zunächst Branchen- oder Produktexperten ausfindig gemacht, die ihren Markt und ebenso die Konkurrenz sehr gut kennen und deshalb in der Lage sind, entsprechende Lead-User zu benennen. Für jeden möglichen Lead-User wurde dann ein Profil erstellt, das die Basis zur Teilnehmerauswahl für die folgenden Workshops bildete.

Produktentwicklung durch potenzielle Kundinnen und Kunden

Im dritten Schritt folgten die Lead-User-Workshops, in denen die Unternehmen nun gemeinsam mit ihren (potenziellen) Kundinnen und Kunden neue Ideen entwickelten. Einen ganzen Tag lang wurde unter Einsatz von verschiedenen Kreativitätstechniken viel diskutiert, skizziert und phantasiert – und es wurden dabei über 100 Ideen entwickelt. Am Ende des Tages bestand die Herausforderung darin, aus der Vielzahl an Ideen die persönlichen Favoriten auszusuchen und diese weiter zu konkretisieren. Das Ergebnis waren drei konkrete Ideenskizzen für jedes Unternehmen, die mittels gemeinsamer Punktevergabe ausgewählt wurden.

In einem abschliessenden Workshop, an dem nochmals die Vertreter aller Projektpartner zusammenkamen, trafen dann die Unternehmen intern eine endgültige Auswahl und konkretisierten diese in einem sogenannten Diversifikationsmodell. Bei der Abschlusspräsentation wurden alle Ideen vorgestellt und gemeinsam diskutiert, wobei neben den Fähigkeiten und Ressourcen die Problemlösung sowie die Markterschliessung im Vordergrund standen.

Die beteiligten Unternehmen schlagen dabei ganz unterschiedliche Wege ein. Von der Erweiterung des Kundenstammes in eine andere Branche mit entsprechenden Anpassungen bis hin zu grundlegend neuen Geschäftsideen finden sich vier ganz unterschiedliche Ansätze für Innovationen. Bevor im nächsten Schritt die genauen Markteintrittsstrategien entwickelt werden können, müssen teilweise noch kleinere Tests zur technologischen Realisierbarkeit gemacht werden. In einem Fall steht sogar eine grössere technologische Neuentwicklung an. Ob alle entwickelten Ideen nun auch zu Innovationen werden und sich erfolgreich am Markt etablieren, wird die Zukunft zeigen. Auf diesem Weg wird das Forschungsteam die Unternehmen weiterhin unterstützen und wünscht allen viel Erfolg bei der Markteinführung!

Innovationsprozess unterstützen

Insgesamt hat das Projekt an vier Beispielen gezeigt, wie mit einem standardisierten Prozess und dem Einsatz von gleichen (bzw. leicht angepassten) Methoden vier unterschiedliche Innovationsansätze entstehen können. Das strukturierte Vorgehen hat sich bewährt und ist aus Sicht der Praxispartner zielführend. Nichtsdestotrotz darf auch bei solch einer Methode der Zeit- und Ressourcenaufwand nicht unterschätzt werden. Sehr erfreulich ist für alle Beteiligten die Tatsache, dass noch vor dem endgültigen Projektabschluss bereits zwei Unternehmen Interesse an der Methode zeigten. Diese sind gerade mit den ersten Workshops in die Analysephase gestartet. Gerne unterstützen wir weitere Unternehmen in ihrem Innovationsprozess und bei der Entwicklung von neuen Ideen.