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Den Ausbau der Schweizer Wasserkraft nachhaltig planen und umsetzen

08. Mai 2018

Als bedeutendste inländische Energiequelle ist die Wasserkraft ein zentraler Pfeiler der Energiestrategie 2050 des Bundes und eine wichtige lokale Wirtschaftskraft in vielen Alpentälern. Sie generiert Einkommen und Beschäftigung sowie Wasserzins- und Steuereinnahmen in Kantonen und Gemeinden und unterstützt die regionale Wirtschaft in abgelegenen Gebieten (AEV, 2009; Rieder & Caviezel, 2006). Gleichzeitig stehen Politik und Wasserkraftunternehmen vor neuen Herausforderungen. An erster Stelle steht die mangelnde Rentabilität aufgrund der momentanen wirtschaftlichen Bedingungen, insbesondere der tiefen Strompreise auf dem europäischen Markt, welche sich negativ auf die Investitionen in die Erneuerung bestehender und den Bau neuer Anlagen auswirkt. Von zentraler Bedeutung sind aber auch die bevorstehende Erneuerung bzw. der Heimfall von Wasserkraft-Konzessionen (SWV, 2012) sowie die künftige Ausgestaltung der Wasserzinsen, die eine neue Wasserkraft-Ära induzieren dürften (Banfi et al., 2004; Wyer, 2008).

Zugleich muss die Wasserkraft einen Beitrag ans Verfassungsziel der Nachhaltigen Entwicklung liefern und diesbezüglich beurteilt werden. Dies erfordert eine umfassende Betrachtung der vielfältigen Auswirkungen eines Vorhabens auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Dazu ist neben einer technisch-wissenschaftlichen Beurteilung auch eine Bewertung von Zielkonflikten aus Sicht von betroffenen Anspruchsgruppen erforderlich. Hier setzt das Projekt «HP Sustainability» der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur an, welches sich im Rahmen eines grösseren Forschungsverbundes im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 70 «Energiewende» (siehe Box 1) mit regionalwirtschaftlichen Aspekten und einer integrierten Nachhaltigkeitsbeurteilung (NHB) der Wasserkraft beschäftigt.

Im Rahmen einer Fallstudie wurde das Projekt «Lagobianco» untersucht. Dieses Projekt ist für die Entwicklung einer integrierten NHB von besonderem Interesse, weil es als Resultat einer intensiven und konstruktiven halbjährigen Zusammenarbeit verschiedenster Interessensgruppen im Winterhalbjahr 2008/2009 entstanden ist und die Zustimmung aller beteiligten Stakeholder-Gruppen geniesst. Um die Bedeutung dieses als sehr erfolgreichen eingestuften Stakeholderdialogs 2008/2009 zu analysieren und gleichzeitig eine NHB für das Projekt durchzuführen, fanden zwischen November 2016 und Dezember 2017 drei weitere Workshops mit Stakeholdern und zusätzliche Arbeitssitzungen mit Experten statt. Dabei wurden zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Anspruchsgruppen eine gemeinsame Vision zur Rolle der Schweizer Wasserkraft 2050 («Vision Wasserkraft 2050») entwickelt und die Voraussetzungen für die Identifikation von Zielkonflikten bei der Bewertung einzelner Kriterien der Nachhaltigkeitsbeurteilung («NHB Lagobianco») geschaffen. Die entsprechenden Ergebnisse sind Gegenstand von zwei weiteren Beiträgen («Vision Wasserkraft 2050», «Integrierte Nachhaltigkeitsbeurteilung der Fallstudie ‘Lagobianco’»).
 

Literatur (Auswahl)

AEV (2009). Volkswirtschaftliche Bedeutung der Wasserkraftwerke in Graubünden. Amt für Energie und Verkehr Graubünden, Chur. Online lesen (abgerufen am 07.05.2018).
Banfi S., Filippini M., Luchsinger C., Mueller A. (2004). Bedeutung der Wasserzinse in der Schweiz und Möglichkeiten einer Flexibilisierung. Vdf Hochschulverlag, Zürich.
Rieder P., Caviezel F. (2006). Regionalwirtschaftliche Analyse zur Wasserkraftnutzung im Kanton Graubünden; in: H. Gredig et al. (Hrsg.), Politische, rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der hundertjährigen Wasserkraftnutzung in Gaubünden, Verlag Bündner Monatsblatt, Chur; S. 119-138.
Wyer H. (2008). Die Nutzung der Wasserkraft im Wallis: Geschichte – Recht – Heimfall. Rotten Verlag, Visp.
 

Projektübersicht
Im Vordergrund des Verbundprojektes zur Zukunft der Schweizer Wasserkraft («HP Future») steht die Entwicklung und Anwendung eines integrierten ökonomischen Ansatzes zur Beurteilung der Bedeutung von Wasserkraft.  Dabei steht neben unternehmerischen Betrachtungen und einer regionalen Perspektive auch der Beitrag an die Energiestrategie 2050 des Bundes im Fokus. Das Projekt ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms «Energiewende» NFP 70 des Schweizerischen Nationalfonds SNF. Durchgeführt wird das Projekt von einer interdisziplinären Gruppe der Universitäten Basel und Genf, der Fachhochschule Westschweiz HES-SO Wallis, der ZHAW Winterthur sowie der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur.
Das Ziel des an der HTW Chur durchgeführten Teilprojektes «HP Sustainability» (Regional Impact Analysis and Sustainability Assessment of Hydropower) besteht im Zusammenführen verschiedener Teilresultate zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsbeurteilung von Wasserkraftanlagen in einer kohärenten und methodisch fundierten Art und Weise. Es umfasst die folgenden Teilziele:
 

  • Analyse regionaler Auswirkungen und Nachhaltigkeitsbeurteilung von ausgewählten Wasserkraftprojekten und -anlagen.
  • Entwicklung eines Prototyps für die Beurteilung der Wasserkraft aus regionalwirtschaftlicher und unternehmerischer Perspektive.

Das Forschungsdesign besteht aus zwei sich ergänzenden methodischen Ansätzen: Auf der einen Seite steht eine technische-wissenschaftlich fundierte Nachhaltigkeitsbeurteilung («Sustainabilty Assessment»), in welcher alle möglichen Auswirkungen der Bau- und Betriebsphase von Wasserkraftanlagen auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft analysiert werden. Auf der anderen Seite steht ein Dialog mit Vertreterinnen und Vertretern aus Bevölkerung, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Umweltverbänden («Stakeholder Dialogue»). Der Einbezug von projektrelevanten Anspruchsgruppen, welche unterschiedliche Sichtweisen und Bewertungen einbringen, schafft Verständnis und erhöht die Akzeptanz sowie die Erfolgschancen der in diesem Zusammenhang untersuchten Wasserkraftprojekte. Durch die Bewertung – d. h. Gewichtung der einzelnen Nachhaltigkeitskriterien – durch die Stakeholder kann zusammen mit der technisch-wissenschaftlichen Betrachtung eine integrierte Nachhaltigkeitsbeurteilung realisiert werden.
 

Weitere Informationen und Publikationen zum «HP Future» Projekt und den weiteren Teilprojekten finden sich auf der Projekt-Website.

Die ganze Fallstudie kann online gelesen werden.

Weitere Auskünfte

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