09. April 2019
Menschenmassen gehen auf die Strassen und demonstrieren für den Kampf gegen den Klimawandel. Sie nennen es «Klima streik» und erreichen etwas, was Wissenschaftlern und Politikern in den letzten drei Jahrzehnten nicht in dieser Form gelungen ist: Sie erhalten Aufmerksamkeit und bringen das Problem des Klimawandels ins Bewusstsein vieler Leute. Ausgelöst wurde diese Bewegung durch ein 15-jähriges schwedisches Mädchen, Greta Thunberg, mit ihrem Aufruf zum weltweiten Schulstreik für das Klima und ihrer in den Medien viel beachteten Reise ans WEF nach Davos. Sie hatte damit einen grösseren Effekt als die Verleihung des Friedensnobelpreises 2007 an den ehe maligen US-Vizepräsidenten Al Gore und den «Weltklimarat», für den regelmässig Tausende Wissenschaftler aus aller Welt die aktuellen Erkenntnisse zusammentragen. Auch die spätere Verleihung von Nobelpreisen an Klimaforscher fand in der Öffentlichkeit kaum Beachtung.
Nun sprechen mich plötzlich Bekannte auf das Klimaproblem an und auf Verhaltensänderungen als Beitrag zu dessen Lösung. Weniger Auto fahren? Weniger fliegen? Weniger heizen? Ja, wenn dadurch unser Lebensstandard nicht zu stark eingeschränkt wird. Aber weniger Fleisch essen; dies wäre die Lösung, denn eine Kuh stösst, in Form von Methan, mehr klimawirksame Treibhausgase aus als ein Mittelklassewagen oder ein moderner Offroader. Also weg mit den Kühen, denn sie sind klimaschädlicher als ein Auto. Und auf ein gutes Stück Fleisch zu verzichten ist einfacher als aufs Auto, gibt es doch genügend Alternativen für die Ernährung. Die Landwirtschaft macht hier einen guten Job.
Die Augen zu öffnen für das Klimaproblem, dies fordern die Aktivisten. Eine umfassende Sicht auf das Problem verlangt von uns aber, beide Augen zu öffnen und nicht einzelne Aspekte auszublenden, weil sie weniger gut in unsere Argumentation passen. Um hier nur einen Punkt aufzugreifen, der regelmässig vernachlässigt wird: Was produziert eine Kuh? Milch, Fleisch und Dung. Milch und Fleisch sind Teil unserer Ernährung und die Exportprodukte der Berglandwirtschaft. Dünger ist notwendig für die pflanzliche Produktion. Gut, dieser kann industriell hergestellt werden, ohne Tiere. Das Verfahren ist aber energieintensiv, und – dies gilt es zu beachten – es führt unserer Umwelt Mengen an reaktiven und damit schädlichen Stickstoffverbindungen zu. Auch davor haben Wissenschaftler schon gewarnt. Sie wurden aber kaum wahrgenommen, noch weniger als die Klimaforscher.
Ein Umdenken ist gefordert, nicht nur für den Klimaschutz. Lösungen sind gesucht. Diese sollten aber nicht in Extreme gehen, sondern ausgewogen sein. Nicht ein voll ständiger Verzicht aufs Auto, aufs Fliegen oder auf tierische Nahrungsmittel ist die Lösung, sondern ein sinnvolles Mass. Die Vernunft des Menschen ist gefordert, um unsere Werte in Einklang mit den Möglichkeiten und Grenzen der Umwelt und den Bedürfnissen der Menschheit zu bringen. Die weiteren Gedanken überlasse ich gerne den Lesenden, denn wir müssen gemeinsam anpacken.
Dieser Beitrag erschien zeitgleich als Kolumne im «Bündner Bauer».