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Wasserstoff – der Energieträger der Zukunft

21. November 2019

Die im Moment viel diskutierte Energiewende kennt zahlreiche Ausgestaltungsmöglichkeiten. Es geht darum, wie in Zukunft Strom hergestellt wird, wie er gespeichert wird, ob Strom als Ersatz für andere Energiequellen wie Öl und Gas dienen oder wie Mobilität mit Elektrizität ausgestaltet werden kann.

Zu diesem Thema wurde Dr. Peter Tromm (PT), Professor für Nachhaltigkeit und Wirtschaft an der Fachhochschule Graubünden, im Magazin Energie, Nachhaltigkeit & Umwelt (ENU) interviewt.

Foto: (C) KEYSTONE/Gaetan Bally

ENU: Herr Tromm, Energiewende, nachhaltige Energiequellen, Energiespeicherung, welche Lösungsmöglichkeiten favorisieren Sie?

PT: Einen umfassenden Ansatz für all diese Fragen liefert die Wasserstofftechnologie. Auf diese Frage möchte ich kurz den Wasserstoffkreislauf und die Anwendungsmöglichkeiten von Wasserstoff aufzeigen. 

Wenn man Strom in Wasser (chemische Formel H2O) leitet, bildet sich an einem Pol Wasserstoff (H2) und am anderen Sauerstoff (O2). Der Wasserstoff wird als Gas aufgefangen, was schon lange für industrielle Zwecke gemacht wird. Wenn man dieses Gas nun über eine Brennstoffzelle fliessen lässt, entsteht wieder Strom und quasi als Abfall zusammen mit Sauerstoff aus der Luft auch wieder Wasser. Dies zeigt, dass Wasserstoff ein Energiespeicher ist und sich in einem Kreislauf einsetzen lässt.

ENU: Wie lässt sich dieser Kreislauf nutzen?

PT: Bei der nachhaltigen Stromproduktion mittels Wind und Sonne taucht immer wieder die Frage nach der Speicherung dieses Stroms auf, da er ja nur zu bestimmten Zeiten anfällt. Wenn man mit diesem Strom Wasserstoff produziert und ihn in Drucktanks speichert, kann man den Strom dann wieder nutzen, wenn man ihn braucht, z. B. nachts oder an sonnenarmen Tagen. Auch der private Energiehaushalt kann so abgedeckt werden.

ENU: Kann dies auch für Mobilitätszwecke genutzt werden?

PT: Wenn man die Mobilität und all die dafür notwendige Infrastruktur anschaut, lässt sich das gleiche Prinzip hierhin übertragen. Wasserstoff wird an Tankstellen wie den bisherigen zur Verfügung gestellt, Fahrzeuge tanken in etwa drei bis fünf Minuten dieses Gas, also alles wie bisher. Mit einem Kilogramm Wasserstoff kommt ein Auto etwa 100 Kilometer weit, die Tankgrösse hat dann ein Volumen von etwa 100 Liter, da der Wasserstoff gasförmig ist. Diese Autos gibt es bereits zu kaufen und sind im Einsatz, z. B. Toyota Mirai, Hyundai Nexo und Mercedes GLC F-Cell. In der Schweiz und in Deutschland sind bereits einige Fahrzeuge auf den Strassen unterwegs.

ENU: Das klingt sehr interessant. Warum sehen wir nicht viel mehr davon?

PT: Nun, einmal benötigen wir mehr Tankstellen, Deutschland hat etwa 85, die Bundesregierung in Deutschland möchte im Jahr 2020 etwa 500 aufgebaut sehen. In der Schweiz setzt sich ein Konsortium mit COOP, Migros, H2-Energy und anderen ein, um ein Tankstellennetz aufzubauen. COOP hat die erste private Wasserstofftankstelle in Hunzenschwil AG erstellt. Zweitens müssen mehr Hersteller diese Autos anbieten, und der Preis muss bei Massenproduktion noch sinken, heute werden etwa CHF 60'000 bis 90'000 aufgerufen für die genannten Modelle.

ENU: Lässt sich die Technik auch bei anderen Verkehrsmitteln anwenden?

PT: Es existiert bereits ein Kleinflugzeug von Boeing, das mit Wasserstoff betrieben wird. Geplant sind zurzeit Flugzeuge bis 100 Passagiere. Hamburg und Amsterdam haben bereits Ausflugsschiffe mit diesem Antrieb, Fährschiffe in der Ostsee sind in Planung. COOP hat einen eigenen Lastwagen bauen lassen, Toyota hat einen Versuchstruck in den USA laufen, Hyundai wird ab 2020 etwa 1000 Lastwagen in die Schweiz liefern. Busse fahren bereits, z. B. in Berlin, London hat neue Doppeldecker-Busse mit Brennstoffzellen bestellt. Alstom-Züge fahren bei Bremerhaven mit Wasserstoff. Übrigens soll an der Olympiade im Juni 2020 in Tokyo der gesamte Transport von Menschen und Material elektrisch und mit Wasserstoff erfolgen.

Abschliessend lässt sich offensichtlich sagen, dass wir die jetzigen endlichen Energie-Ressourcen durch nachhaltig hergestellten Wasserstoff ersetzen können. Das sind doch positive Aussichten.

Dr. Peter Tromm arbeitet am Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung ZWF der FH Graubünden. Unter anderem leitet er zurzeit das Projekt «Wasserstoff für die Energiewende», für das Forschungsgelder akquiriert werden konnten. Es geht dabei um regionalwirtschaftliche Auswirkungen der Wasserstoffnutzung im Kanton Graubünden. Mithilfe dieses Projektes soll abgeklärt werden, ob Wasserstoff in Graubünden wirtschaftlich hergestellt und genutzt werden kann, ob und wie sich Wasserstoff-Tankstellen auch im Berggebiet wirtschaftlich betreiben lassen, welcher Nutzen für die gesamte Region aus einer Wasserstoffwirtschaft resultieren kann und ob sich Wasserstoff sinnvoll und genügend regional speichern lässt.