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Welchen Beitrag leistet die Wasserkraft an die nachhaltige Entwicklung?

01. Mai 2018

Die Schweizer Wasserkraft steht vor grossen Herausforderungen. Mit ihnen befasst sich ein Forschungsteam der HTW Chur als Mitglied eines nationalen Forschungsverbunds im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 70 «Energiewende».

Ausgangslage
Die Zukunft der Wasserkraft ist eine grosse Herausforderung für die nachhaltige Entwicklung in vielen Regionen. Wasserkraft ist nicht nur die wichtigste inländische Energiequelle der Schweiz und ein zentraler Pfeiler der Energiestrategie 2050 des Bundes. Sie stellt auch eine wichtige lokale Industrie und ein Rückgrat regionaler Volkswirtschaften dar. Insbesondere in den Gebirgskantonen generiert sie Einkommen und Beschäftigung sowie wichtige Einnahmen für die öffentliche Hand. Sie wirkt sich aber auch auf die Umwelt in diesen Gebieten aus. Angesichts ihrer hohen Bedeutung gilt es, neben der aktuell ungenügenden Rentabilität, welche die notwendigen Investitionen in die Wasserkraft verhindert, auch weitere gesellschaftliche, kulturelle und ökologische Aspekte, die mit der Nutzung der Wasserkraft einhergehen, zu berücksichtigen. Angesichts des aktuellen Kostendrucks und der schlechten Marktaussichten könnte diese «zweite Dimension» zunehmend an Bedeutung gewinnen und eine umfassende Nachhaltigkeitsbeurteilung erfordern.

Projektziel
Insgesamt soll das Projekt dazu beitragen, Zielkonflikte beim Bau und Betrieb von Wasserkraftanlagen kurzund langfristig offenzulegen, um auf diese Weise zu einem informierten Stakeholder-Dialog in regionalen Netzwerken und Workshops zu führen, sowie eine frühzeitige Optimierung von Projekten zu unterstützen.

Umsetzung
Um die verschiedenen Auswirkungen der Wasserkraftanlagen umfassend zu beurteilen, wird ein Ansatz zur integrierten Nachhaltigkeitsbeurteilung entwickelt und auf ausgewählte Fallstudien angewandt. Dieser basiert einerseits auf einer systematischen Beurteilung der ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen in der Bau- und Betriebsphase der Wasserkraftanlagen und andererseits auf der Bewertung von Kompromissen zwischen den einzelnen Nachhaltigkeits- und Entwicklungszielen aus der Sicht betroffener Interessensgruppen.

Die systemische Sicht wird mit Hilfe einer konventionellen Nachhaltigkeitsbeurteilung, die Bewertung über einen ergänzenden Stakeholder-Dialog sichergestellt. Diese «beiden Seiten der Medaille» werden in einem iterativen Prozess zu einer integrierten Nachhaltigkeitsbeurteilung zusammengeführt. Dieser Ansatz zielt darauf ab, eine bessere Grundlage für eine umfassende, flexible und transdisziplinäre Nachhaltigkeitsbeurteilung zu erarbeiten und zur besseren Entscheidungsfindung beizutragen.

Resultate
Auf der Basis bestehender Ansätze wurde ein für die Wasserkraft geeigneter Nachhaltigkeitsbewertungsrahmen entwickelt, der die verschiedenen Perspektiven und Ebenen zusammenführt. Neben den notwendigen technischen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Kennzahlen und Abschätzungen ist insbesondere eine umfassende Bewertung der damit verbundenen Auswirkungen aus gesellschaftlicher Sicht erforderlich. Dies stellt eine besondere Herausforderung, aber auch eine Chance für ein solches Vorhaben dar.

Da Kosten und Nutzen der Wasserkraft über verschiedene Agierende verteilt sind und sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, müssen diese zusammengeführt werden, um den Gesamtnutzen zu ermitteln. Eine frühe Einbindung der betroffenen Gruppen in einen umfassenden Stakeholder-Dialog ist daher ein Kernelement für erfolgreiche Wasserkraftprojekte. Aus dem gegenseitigen Austausch können nicht nur Verbesserungen für das Projekt erwachsen. Es kann auch dessen Akzeptanz gestärkt werden, wie die Begleitung von realen Wasserkraftprojekten verdeutlicht.

Eine Umsetzung von gesamtgesellschaftlich sinnvollen, doch aus rein privatwirtschaftlicher Perspektive unprofitablen Projekten ist dadurch nicht garantiert, aber im aktuellen Marktumfeld eine nicht zu vernachlässigende Dimension. Ein Projekt sollte realisiert werden, wenn dessen Gesamtwert – bestehend aus erwarteten zukünftigen Gewinnen, Wasserzins- und Steuereinnahmen sowie zusätzlichem Nettonutzen in den Bereichen Volkswirtschaft, Gesellschaft und Umwelt – positiv ist. Trifft dies zu, dann stellt sich nicht nur die Frage nach der künftigen Ausgestaltung der Wasserzinsen und der Konzessionen. Auch die Eigentumsverhältnisse und die Rolle von Bund und Kantonen sind zu thematisieren.

Foto: Micha L. Rieser
Foto: Micha L. Rieser

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