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Zur Corporate Social Responsibility von Wasserkraftunternehmen im Alpenraum

03. Dezember 2018

Corporate Social Responsibility ist das Schlüsselprinzip zur Integration verschiedener gesellschaftlicher Anliegen auf Unternehmensebene. Mit dem Ziel einen Beitrag zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung auf unternehmerischer und politischer Ebene zu leisten, bringt dieser Artikel Argumente für eine ganzheitliche Betrachtung eines Vorhabens im Sinne der nachhaltigen Entwicklung vor. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die zukünftige Energiepolitik im Bereich der Wasserkraft gelegt, wo bei Entscheidungen über Neu-Investitionen und Nachrüstungen neben Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen auch umweltspezifische und soziale Überlegungen miteinfliessen müssten.

Als saubere und erneuerbare Energiequelle soll die Wasserkraft eine Schlüsselrolle in der Bewältigung der klimapolitischen Ziele und beim Ausstieg aus der Kernenergie spielen, insbesondere im Berggebiet. Die Wasserkraft ist aber nicht unumstritten. Sie kann erhebliche Auswirkungen haben auf Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Dementsprechend müssen Wasserkraftprojekte und der Betrieb von Wasserkraftanlagen zunehmend aus einer Perspektive der nachhaltigen Entwicklung bewertet werden, welche verschiedene Ziele im sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bereich umfasst. Corporate Social Responsibility (CSR) ist das in dieser Hinsicht häufig auf Unternehmensebene angewandte Prinzip, obwohl es keine konzeptionelle und theoretische Grundlage gibt, die den zahlreichen Ansätzen aus Theorie und Praxis gemeinsam ist.

Mit einer neuen Publikation [1] füllen wir diese Lücke und stellen ein generisches Modell zur Verfügung, welches die unternehmerischen und gesellschaftlichen Perspektiven von Wasserkraftaktivitäten formal angeht und in einen sozio-ökonomischen Rahmen integriert. Letzterer umfasst sowohl externe Effekte als auch verteilungspolitische Bedenken, auf welche die meisten Konflikte zwischen Unternehmen und der Gesellschaft zurückgeführt werden können. Diese entstehen entweder durch Unterschiede zwischen privaten und sozialen Kosten und Nutzen oder aufgrund unterschiedlicher Auffassungen von Fairness bei der Verteilung von Leistungen (Nutzen, Entgelt). Aufbauend auf diesem Hintergrund und mit dem Fokus auf die aktuelle Situation der Wasserkraft in der Schweiz – dem «Wasserschloss Westeuropas» – werden die Themen Wasserrechte, Ressourcenrenten und Governance speziell angesprochen. Die Untersuchung dieser Themen ist insbesondere bei der Analyse von Investitionsprojekten von Wasserkraftunternehmen, die in geteiltem privatem und öffentlichem Eigentum stehen, von entscheidender Bedeutung. In diesem Fall sind externe Stakeholder auch sensible Aktionäre, die dem Unternehmen gleichzeitig das Recht auf den Betrieb einräumen (ihre «licence to operate»). Es geht also auch um die soziale Verantwortung und die Steuerung der Wasserkraftunternehmen.

Generell als Engagement und Beitrag der Geschäftswelt zu einer nachhaltigen Entwicklung definiert, bedeutet CSR eine Abkehr von der reinen Aktionärsperspektive der Maximierung von Gewinnen und des Unternehmenswertes. Im Vordergrund steht ein breiteres Verständnis des Unternehmens, welches auf der Berücksichtigung von verschiedenen gegensätzlichen Zielen und den Anliegen verschiedener Stakeholder basiert. Dies bedeutet weder, dass ein Unternehmen dieses normative Kriterium unbedingt erfüllen und sich sozial verantwortlich verhalten muss, noch macht es eine Regulierung und Gesetzgebung über soziale Rechte und Umweltstandards überflüssig. CSR erfordert vielmehr eine gemeinsame Verantwortung zwischen der Regierung und den privaten Unternehmen. Diese Herausforderung gilt speziell für die Bewirtschaftung der Wasserressourcen, welche allgemein als gemeinsame Verantwortung öffentlicher und privater Akteure angesehen wird. Folglich sind auch die Aktivitäten in der Wasserkraftbranche betroffen, die besonders durch die Marktentwicklung und das herrschende institutionelle Umfeld in den einzelnen Ländern beeinflusst werden. Dementsprechend muss das CSR-Engagement der Wasserkraftunternehmen bzw. deren Beitrag an eine nachhaltige Entwicklung im konkreten Kontext des geltenden wirtschaftlichen, institutionellen, kulturellen, geografischen und politischen Umfelds evaluiert und umgesetzt werden.

Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht sind die Externalitäten und Verteilungseffekte, welche mit der Wasserkraftnutzung einhergehen, der Kern des CSR-Konzepts. Dabei geht es insbesondere um die sozio-ökonomischen und ökologischen Auswirkungen der involvierten Unternehmen sowie um die Verteilung der Wasserressourcenrenten, Gewinne und Steuern auf verschiedene Interessengruppen und Gebietskörperschaften. Dies umfasst auch Fragen der Effizienz und Gerechtigkeit, die beide bei der Bewertung von Wasserkraftprojekten und der Bewertung der CSR-Performance der involvierten Unternehmen angemessen angegangen werden müssen.

Ein grundlegendes Konzept in diesem Zusammenhang ist das der Ressourcenrente. Letztere entspricht dem Überschuss, der resultiert, wenn eine natürliche Ressource (hier: Wasserkraft) in ein marktfähiges Produkt (Strom) umgewandelt wird. Sie ist definiert als die Differenz zwischen dem Preis des Gutes, das mit der natürlichen Ressource produziert wird, und den Stückkosten, die bei der Umwandlung dieser natürlichen Ressource in das marktfähige Gut verwendet werden. Was nach Berücksichtigung dieser Kosten bleibt, ist der (Netto-)Wert der natürlichen Ressource: der Wasserkraft. In erster Linie fliesst dieser Wert — die Wasserressourcenrente — als Einkommen an die Inhaber der Eigentums- und Nutzungsrechte dieser Ressource: dem Wasser. Unter diesem Gesichtspunkt müssen Ressourcenrenten und Unternehmenssteuern explizit im CSR-Rahmen berücksichtigt werden. Formal muss dies insbesondere die Verteilung der Ressourcenrenten durch Wasserzinsen, Dividenden und Unternehmenssteuern widerspiegeln. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass aus theoretischer Sicht Dividenden-, Wasserzins- und Körperschaftssteuerzahlungen Elemente der Aufteilung der Einnahmen (Ressourcenrenten) zwischen den verschiedenen Interessengruppen und nicht als Kostenfaktoren zu betrachten sind. Letztlich ist die Regulierung dieser Einnahmeverteilung eine Frage der politischen Ökonomie und damit gesellschaftlicher Entscheide.

In diesem Zusammenhang gilt es auch festzuhalten, dass soziale Verantwortung, Transparenz und Rechenschaftspflicht zentrale Nachhaltigkeitsprinzipien sind, die stark mit den Konzepten der CSR und der Corporate Governance verbunden sind. Letztere betrifft die klassischen Probleme zwischen Eigentümern und Managern sowie allgemeine Probleme unter den Eigentümern selbst und zwischen unterschiedlichen Stakeholdern. Solche Probleme entstehen immer dann, wenn einige Akteure ihre Massnahmen koordinieren, um dadurch ihre eigenen Vorteile auf Kosten anderer Interessengruppen zu erhöhen. Diese Problematik bezieht sich unmittelbar auf die aktuelle Situation und die Diskussion um Wasserzinsen und Wasserkraftkonzessionen in der Schweiz. So ergänzen sich Corporate Governance und CSR als grundlegende Konzepte. Sie können sich gegenseitig verbinden und stärken in einer modernen Vision des Unternehmens als Institution, welche ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft nicht ausser Acht lässt, auch wenn das Unternehmen versucht, seinen Unternehmenswert zu steigern.

Alles in allem ist CSR das Schlüsselprinzip, um die verschiedenen gesellschaftlichen Anliegen zu integrieren. Es impliziert eine Übersetzung des normativen Rahmens für nachhaltige Entwicklung auf die Unternehmensebene und erfordert, dass die Auswirkungen von Wasserkraftunternehmen oder Einzelanlagen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck bieten wir einen generischen Ansatz, der die unternehmerischen und gesellschaftlichen Perspektiven von Wasserkraftaktivitäten formal in einen wohlfahrtsökonomischen Rahmen integriert, durch den explizit Externalitäten und Verteilungsbelange berücksichtigt werden. Diese sind wichtig, wenn es um Entscheidungen über Investitionen in Wasserkraftwerke geht, sowohl aus unternehmerischer als auch aus gesellschaftlicher (staatlicher) Sicht, ebenso wie bei der Aufteilung der Nettoerlöse (Ressourcenrenten) auf verschiedene Anspruchsgruppen und territoriale Ebenen. Letztlich geht es dabei um die direkte und indirekte finanzielle und wirtschaftliche Inzidenz durch die Verteilung von Dividenden, Wassergebühren und Steuern zwischen den verschiedenen staatlichen Unternehmen im föderalistischen System.

Vor diesem Hintergrund sollten Investitionsentscheidungen in erster Linie als Allokationsproblem verstanden und aus Sicht der volkswirtschaftlichen Effizienz getroffen werden und nicht in erster Linie durch Verteilungsanliegen getrieben werden. Dies bedeutet, dass Investitionen in die Nachrüstung bestehender und in den Bau neuer Wasserkraftwerke aus gesellschaftlicher Sicht getätigt werden sollten, wenn der Gesamtwert (der soziale Wert) der Wasserkraft die Investitionskosten übersteigt – auch bei tiefen Strompreisen und ungenügender Rentabilität der Wasserkraft – wie dies derzeit der Fall ist. Dementsprechend müssen die Diskussionen über Wasserzinsen und Wasserkraftkonzessionen eine politisch-ökonomische Diskussion über die Governance und Eigentümerstruktur von Wasserkraftunternehmen sowie mögliche Investitionen der öffentlichen Hand und von philanthropischen Anlegern, für welche auch gesellschaftliche Werte der Wasserkraft wichtig sind, beinhalten. Begründet wird dies damit, dass CSR eine gemeinsame Verantwortung zwischen der Regierung (oder der Regulierungsbehörde) und privaten Unternehmen erfordert, welche letztlich miteinander für den Betrieb der Kraftwerke verantwortlich sind.

Insgesamt soll dieser Beitrag eine fundiertere Entscheidungsfindung sowohl auf Unternehmens- als auch auf politischer Ebene unterstützen, insbesondere in Bezug auf Neu-Investitionen und Nachrüstungen in die Wasserkraft, wenn dabei soziale Anliegen berücksichtigt und alternative Optionen der Energiepolitik diskutiert werden sollen.

[1] Hediger, Werner. (2018). The Corporate Social Responsibility of Hydropower Companies in Alpine Regions—Theory and Policy Recommendations. Sustainability, 2018, 10(10): 3594.

Anmerkung

Diese Arbeit ist als Teil eines Forschungsprojektes, welches im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms „Energiewende“ (NFP 70) des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) durchgeführt wird, entstanden. Weitere Informationen zum Nationalen Forschungsprogramm sind auf www.nfp70.ch zu finden.

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