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Die Praktikerin mit Herzblut
Die Praktikerin mit Herzblut

Die Praktikerin mit Herzblut

Martina Stadler hat 2012 ihr Tourismusstudium an der FH Graubünden abgeschlossen. Heute ist sie 30-jährig und führt bereits das zweite Unternehmen. 2016 war sie für den Milestone Award im Bereich Nachwuchs nominiert. Seit letztem Frühling ist Martina Stadler wieder zurück in Graubünden – als Tourismusdirektorin.

Text: Petra Caviezel / Bild: TESSVM / Graubünden Ferien, Andrea Badrutt

Frau Stadler, seit 1. Mai 2017 sind Sie Tourismusdirektorin der Destination Engadin Scuol Samnaun Val Müstair. Blicken Sie auf einen gelungenen Start zurück? 
Ich würde sagen, ja. Es ist verrückt, wie viel am Anfang auf einen einbricht – und wie rasch es dann geht, bis man den Überblick hat. Meinen gelungenen Start verdanke ich natürlich meinem Team, das sich viel Zeit genommen hat – und immer noch nimmt. Auch die externen Partner unterstützen mich. Sie sind mir gegenüber offen, das schätze ich sehr.

Martina Stadler hat an der FH Graubünden Tourismus studiert und ist heute Tourismusdirektorin von Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair.

Sie waren zuvor in der Innerschweiz, bei der Uri Tourismus AG, tätig. Während der letzten drei Jahre haben Sie dort die Tourismusorganisation geleitet. Wie unterscheiden sich die Herausforderungen, Gäste in die Region zu holen? 
Beide Destinationen sind Randregionen. Der Tourismus in Randregionen sieht sich überall mit ähnlichen Problemen konfrontiert, etwa mit der Kleinstrukturiertheit des Angebots. Trotzdem unterscheiden sich die Aufgaben. Das Engadin wird sehr stark als Tourismusregion wahrgenommen und der Tourismus hat hier einen grossen Stellenwert. Denkt man an Uri, hat man das Bild vom Stau am Gotthard vor Augen. Das ist eine ganz andere Ausgangslage, heisst aber nicht, dass die Situation im Engadin einfacher ist. Wenn 70 bis 80 Prozent der Menschen einer Region vom Tourismus leben, sind die Ansprüche an eine Organisation wie die unsrige hoch. Von uns wird erwartet, dass wir bei Problemen die «grosse Lösung» liefern. In Uri haben wir sehr viel Aufbauarbeit geleistet und uns dann weiterentwickelt. Das ist meiner Meinung nach weder einfacher noch schwieriger.

«Wenn 70 bis 80 Prozent der Menschen einer Region vom Tourismus leben, sind die Ansprüche an eine Organisation wie die unsrige hoch.»

2012 haben Sie Ihr Tourismusstudium an der FH Graubünden abgeschlossen. Heute führen Sie bereits das zweite Unternehmen. Ein erfolgreicher Weg, den Sie gegangen sind. Was hat Ihr Studium zu diesem Weg beigetragen?
Der grösste Nutzen war für mich die Kombination von Praktikum und Studium. Ich habe mein Praktikum bei Engelberg Titlis Tourismus in der Marketingabteilung und im Eventbereich absolviert – und dabei tiefe Einblicke in die Arbeiten einer Destination bekommen. Dank dieser Praxiserfahrung konnte ich die Inhalte des Studiums sehr gut einordnen. Dieses Einordnen-Können fehlt denjenigen, die ein tourismusfremdes Praktikum absolviert haben. Im Studium selbst waren die übergeordneten Themen spannend für mich, das konzeptionelle Arbeiten beispielsweise. Dieses Wissen hilft mir heute in meiner Führungsposition. Meine Bachelorarbeit über Destinationsmanagement war auch von grossem Nutzen. Meines Erachtens hat sie mich am besten auf meine Tätigkeit als Tourismusdirektorin vorbereitet. Ich habe gelernt, wie man die Zusammenarbeit in einer Destination besser gestalten kann. Damit beschäftige ich mich jetzt im Alltag.

Haben Themen gefehlt im Studium? Inhalte, die Ihnen etwas gebracht hätten?
Inhalte entwickeln sich laufend. Die Inhalte der Studienrichtung Service Design, welche die FH Graubünden 2017 eingeführt hat, finde ich extrem spannend. Dieser Schwerpunkt war zu meiner Studienzeit jedoch noch nicht so ein grosses Thema. Im Nachhinein betrachtet wäre auch mehr Entrepreneurship spannend gewesen – mehr über das unternehmerische Denken, über den Aufbau von neuen Geschäftsfeldern oder über die verschiedenen Finanzierungsarten. Damit sind wir immer konfrontiert im Tourismus – wir haben knappe Ressourcen, aber viele Ideen.

«Die Inhalte der neuen Studienrichtung Service Design finde ich extrem spannend.»

Einmal Tourismusdirektorin sein – war das Ihr Ziel während Ihres Studiums?
Ich hatte Ziele. Ich habe immer recht klar gewusst, dass ich in einer Destination arbeiten möchte und nicht, beispielsweise, bei einer Airline. Und ich habe auch gewusst, dass ich irgendwann eine Führungsrolle übernehmen möchte. Dass ich schon mit 26 Jahren Geschäftsführerin geworden bin, war nicht geplant. Es ging mir, ehrlich gesagt, anfangs auch etwas zu schnell, aber ich habe den Schritt nie bereut. Bei Uri Tourismus hatte ich damals den grossen Vorteil, schon in der Unternehmung gearbeitet zu haben, bevor ich die Führung übernahm. Ich durchlief eine saubere, lange Übergangsphase mit meiner Vorgängerin. Ausserdem kannte ich bereits das Team und alle sind hinter mir gestanden. Das alles war sehr hilfreich.

Ihren Weg und Ihren Erfolg verdanken Sie Ihrer Persönlichkeit, Ihrem Herzblut und Engagement, Ihrem umfangreichen Wissen und Ihrer Erfahrung. Aber auch bestimmten Eigenschaften. Sie sind offen für neue Ideen, Sie denken «out of the box», Sie sind begeisterungsfähig und innovativ. Kann man solche Eigenschaften lernen?
Einiges kann man sicher lernen, einiges ist gegeben, anderes entsteht durch Erfahrung. Was man aber kann ist, sich einen Job zu suchen, den man mit Freude ausübt. Und dann sollte man wachsam sein. Wir müssen über den Tellerrand hinaus schauen. Sehen, ob wir Dinge, die zwar gut laufen, nicht noch besser machen können. Wir müssen ab und zu die Komfortzone verlassen. Dieses Gespür zu haben ist wichtig – und durch Erfahrung erlernbar. Bei meinem Beruf ist der gute Umgang mit Menschen auch essentiell, da es oft gilt, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Das ist oft ein Balanceakt. Ich muss mir bewusst sein, dass ich es nicht allen recht machen kann. Meine Vorgängerin bei Uri Tourismus hat einmal zu mir gesagt: «Unpopuläre Entscheide zu fällen, das gehört zu deinem Job.» Und das ist so. Das macht man nicht gerne. Aber ich entscheide immer im Interesse der Sache. Wenn die Leute das Vertrauen haben und wissen, dass man zu ihrem Wohle handelt, dann werden auch unpopuläre Entscheide respektiert.

Welchen Tipp geben Sie den Tourismusstudierenden an der FH Graubünden?
Man spürt einen Trend: Viele suchen eine Anstellung bei den Grossen und in den Zentren. Meiner Meinung nach hat man aber gerade in kleineren Betrieben ausserhalb der grossen Zentren gute Möglichkeiten, rasch Verantwortung zu übernehmen und sich einzubringen – anstatt eine/einer von ganz vielen zu sein. Man sollte den Schritt wagen und ein paar Jahre in eine Randregion, beispielsweise in eine Bergregion, ziehen. Eine Region, die vielleicht weg von der gewohnten Umgebung und vom persönlichen Umfeld ist, in der man aber viel sehen und lernen kann. Ich habe das Gefühl, dass Ängste bestehen – die Angst, sich weg zu bewegen, auch räumlich. Es gibt überall nette Menschen. Ich selbst bin oft umgezogen und habe das gewohnte Umfeld zugunsten von neuen Erfahrungen verlassen. Ich finde das bereichernd.

«Für mich definiert sich Karriere nicht über die Hierarchiestufe, sondern über den Inhalt.»

Haben Sie überhaupt noch Ziele? Berufliche Ziele, die über das Engadin hinausgehen?
Momentan überlege ich mir natürlich noch nicht, was ich nachher mache. Mein Ziel ist es, auch in Zukunft einen Job auszuüben, der mir Freude bereitet. Bei dem ich sehe, dass mein Tun etwas bewegt und geschätzt wird. Ich weiss nicht, ob ich mein Leben lang Tourismusdirektorin sein werde. Eine andere Anstellung, die hierarchisch nicht auf CEO-Stufe ist, kann genauso spannend sein. Für mich definiert sich Karriere nicht über die Hierarchiestufe, sondern über den Inhalt. Oder darüber, wie ich mich weiterentwickeln kann.

Über Martina Stadler

Martina Stadler ist 1987 geboren. Sie hat in Österreich die Ausbildung zur Tourismuskauffrau absolviert. 2009 – 2012 war Sie Tourismusstudentin an der FH Graubünden. Seit 1. Mai 2017 ist sie Tourismusdirektorin von Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair (TESSVM). Dort ist sie für die operative und finanzielle Führung sowie für die Weiterentwicklung der Destinationsstrategie verantwortlich. 2014 – 2017 hat Martina Stadler die Uri Tourismus AG geleitet. Dort hat sie mit der interaktiven Spurensuche «Tatort Tell» Zeichen gesetzt. 2016 war sie für den Milestone Award im Bereich Nachwuchs nominiert.

Über TESSVM (Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair)

TESSVM ist für eine der flächenmässig grössten Tourismusdestinationen der Schweiz verantwortlich. Die Destination generiert eine knappe Million Logiernächte jährlich. TESSVM beschäftigt 35 Mitarbeitende, verfügt über ein Budget von CHF 5 Mio. und verantwortet die Gästeinformation, das Marketing und den Vertrieb.

Beitrag von

Petra Caviezel

Organisationsassistenz