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Wertvoller Austausch zwischen Studium und Praxis – Dozierende berichten
Vom wertvollen Austausch zwischen Studium und Praxis – Dozierende berichten

Vom wertvollen Austausch zwischen Studium und Praxis – Dozierende berichten

Die Studiengänge Architektur und Bauingenieurwesen der FH Graubünden profitieren enorm vom Wissen und den Erfahrungen ihrer externen Dozierenden. Diese sind in der Praxis verwurzelt und wissen genau, worauf es im Berufsleben ankommt. Umgekehrt gewinnen auch die Berufsleute dank ihrer Lehrtätigkeit.

Text: Daniel A. Walser / Bild: Marlene Gujan

Diesem Wechselspiel von Lehre und Praxis soll genauer auf den Grund gegangen werden. Dazu wurden zwei Dozierende zu ihren Erfahrungen befragt: Marlene Gujan, selbständige Architektin und Dozentin des Bachelorstudiums Architektur, und Plácido Pérez, selbständiger Bauingenieur und Dozent der beiden Bachelorangebote Architektur und Bauingenieurwesen. Er ist zudem stellvertretender Studienleiter des Bachelorstudiums Bauingenieurwesen. Beide haben selbst an einer Fachhochschule studiert – Gujan in Burgdorf, Pérez in Chur. Dies verhilft ihnen sowohl zu einer Innensicht wie auch zu einer Sicht von aussen auf den Studienbetrieb.

«Academia Vivian», aus Bruchholz des Sturmes Vivian, Architektur: Gujan + Pally Architekten AG, Bauingenieur: Pérez Schmidlin Bauingenieure GmbH (Foto: Ralph Feiner, Malans)

Mit praxisnahen Dozierenden studieren

Die Studierenden profitieren sowohl im Architektur- als auch im Bauingenieurstudium ganz direkt von den Erfahrungen der Dozierenden und deren Problemstellungen im Büroalltag. Die Dozierenden wissen genau, worauf in der Praxis zu achten und was wirklich wichtig ist, damit Bauen gelingt. Dieses Wissen fliesst direkt in die Lehre ein. So ist es Marlene Gujan wichtig, dass die Studierenden im Entwurfsunterricht richtig konstruieren lernen und erfahren, was es heisst, verschiedene Materialien zu einem Gebäude zusammenzufügen. Dadurch erhalten sie eine solide Basis für ihren späteren Beruf.

Gujan legt Wert darauf, dass nicht einfach vorgefertigte Lösungen eingesetzt werden, sondern dass überlegt wird, welche Lösung für diesen spezifischen Ort mit welchem Material die richtige ist. «Architektur soll studiert und nicht einfach konsumiert werden», betont sie. «Wir müssen den Studentinnen und Studenten die Basis vermitteln, sodass sie Entwurf und Konstruktion vereinen.» Es ist ihr ein grosses Anliegen, dass die Studierenden lernen, ehrlich zu bauen, ohne ihr Material zu «vergewaltigen». Sie sollen erst einmal lernen, was dessen innewohnenden Eigenschaften und damit auch dessen Potenziale sind.

Stallausbau Almens in Holz und Stampflehm, Architektur: Gujan + Pally Architekten AG, Bauingenieur: Pérez Schmidlin Bauingenieure GmbH (Foto: Ralph Feiner, Malans)

Der Bauingenieur Plácido Pérez sieht das ähnlich. Auch ihm ist es sehr wichtig, dass klare Konstruktionsprinzipien verfolgt werden. Bauwerke sollen klar und nachvollziehbar konstruiert werden. Marlene Gujan betont: «Die Stärke dieser Hochschule ist es, dass die Studierenden eine Basis bekommen, mit der sie gut gerüstet sind. Architektonische Höhenflüge sind nicht gefragt, bevor das Rüstzeug sitzt. Wenn sie dann doch gelingen, ist das auch in Ordnung, aber nicht prioritär.» Die Architektin betont: «Abheben kann man später noch immer, aber vorher braucht es eine gute Grundausbildung.»

Technische Veränderungen im Beruf nutzen

«Das CAD-Zeichnen macht vieles einfacher», sagt Gujan. Dieses langwierige und zeitaufwändige Zeichen mache einem deutlich, dass man früher «sehr viel mehr überlegt hat, bevor man anfing zu zeichnen». Da heutzutage alles viel einfacher und schneller gehe, fehlten oft die Komplexität und das Durchdachte. Gerade hier sei es ihre Aufgabe, den Studierenden begreiflich zu machen, weshalb das so ist. Sie fragt sich zum Beispiel: «Wie erkläre ich etwas so, dass sie es auch verstehen?» Weitere wichtige Fragen seien auch: «Was ist der richtige Entwurf und welche Materialien können an diesem Ort verwendet werden?»

Auch bei den Bauingenieurinnen und Bauingenieuren habe sich in den letzten Jahren viel getan, betont Plácido Pérez. «Eine Gleitkurve errechnete man früher in mehreren Stunden. Dafür benötigt man heute zehn Sekunden.» Dies führe naturgemäss dazu, dass die Aufgabenstellungen heute anders angepackt würden. Dasselbe sei auch beim Strassenbau zu beobachten: «Bei der Vorgabe einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h entwirft man eine Strasse heute anders als früher», so Pérez. «Früher waren beispielsweise topografische oder geologische Gegebenheiten ausschlaggebender». Der Bauingenieur betont, dass er deshalb das Thema Baukultur in den Stundenplan aufgenommen habe. «Gute Entwürfe entstehen nicht einfach durch ein abstraktes Gedankenkonstrukt.» Kulturelle und örtliche Hintergründe würden auch heute noch eine wichtige Rolle spielen, müssten aber spezifisch vermittelt werden. «Dabei hilft der Blick von aussen, um klarer zu sehen, was sich wo verändert», so Pérez.

Tribüne, Pausenplatzbedachung und Velounterstand Schule Igis, Architektur: Marlene Gujan Architektur AG, Bauingenieur: Pérez Schmidlin Bauingenieure GmbH (Foto: Marlene Gujan, Igis)

Sich bei der eigenen Arbeit disziplinieren

Nicht nur die Studierenden profitieren vom praktischen Fachwissen der Dozierenden. Auch die Dozierenden werden in ihrem Denken und Handeln von ihrer Arbeit an der Fachhochschule geprägt. Marlene Gujan erachtet es als «gesund», wenn man sich umstellen und die Informationen verständlich zusammenfassen muss, um sie weitergeben zu können. «Das bringt mich dazu, mich auf das Wesentliche zu fokussieren. Man muss sich selbst gegenüber ehrlich bleiben und sich innerhalb der Leitplanken bewegen. So wird man selbst immer wieder diszipliniert.»

Für Pérez besteht der Vorteil vor allem in der starken Verwurzelung in der Praxis – und im Wissen darüber, wie eine Hochschule funktioniert und welche Fähigkeiten die Studierenden nach einer bestimmten Zeit besitzen. Dieses kombinierte Wissen war beispielsweise bei der letzten Studienreform im Frühling/Sommer 2020 enorm hilfreich: Nur so konnte man zielgerichtet das Wichtige vom Unwichtigen trennen und ein für alle Seiten ausgewogenes und sinnvolles Studienprogramm erarbeiten.

Ersatz Steinschlaggalerie Sassal I, Bachelor Thesis Bauingenieurwesen, Student: Men Nuot Filli (Visualisierung: Men Nuot Filli)

Die Komplexität bewältigen

Sowohl Plácido Pérez wie auch Marlene Gujan betonen, dass jemand, der unterrichtet, Menschen gerne haben muss – und wie toll es ist, wenn die Studierenden ein «Aha-Erlebnis» haben. Wunderbar sei es, wenn man ihnen etwas vermitteln könne, das sie mit in ihr späteres Berufsleben nehmen. Und noch schöner ist es, wenn Klassen «abheben» und einen eigenen Schwung entwickeln, sagt Gujan. Dann können auch die Aufgaben komplexer und vielfältiger werden. «Genau diese Studierenden werden es auch im Beruf weit bringen.» Dies zu fördern, sei das Ziel ihres Unterrichts, so die Architektin.

Die Coronapandemie hat die Arbeit der beiden Dozierenden sowohl in der Lehre als auch in der Praxis stark verändert. Mit der Verlegung des Unterrichts in den digitalen Raum fehlt die so wichtige Interaktion, bedauern beide. Im Büro fällt derweil bei beiden mehr Arbeit an. «Offensichtlich sind viele Kundinnen und Kunden zuhause und denken sich neue Projekte aus.» Einen weiteren Nebeneffekt von Covid-19 sieht Gujan im Umgang miteinander: «Man wird anständiger und respektvoller.» Und Pérez fügt hinzu: «Man ist auch weniger abgelenkt. Sehr vieles hat sich beruhigt.»