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Wie Kids lernen, ihre Interessen zu entdecken
Wie Kids lernen, ihre Interessen zu entdecken

Wie Kids lernen, ihre Interessen zu entdecken

Seit mehr als drei Jahren setzen sich die Macherinnen und Macher der MINT-Academy für die MINT-Spezialistinnen und -Spezialisten der Zukunft ein. Dank stufengerechtem Wissen sollen die Kids bereits früh ihr Interesse an Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie erkennen. Zielpublikum sind interessierte Kinder, die wissen wollen, wie Technik funktioniert, und die ihre Neugier auch in verschiedenen anderen Bereichen stillen möchten. Petra Caviezel hat mit dem Gründer der Academy, Haempa Maissen, geredet.

Text: Petra Caviezel / Bilder: Lorena Sonder

Im August 2018 hat die MINT-Academy die ersten Kurse durchgeführt. Wie kam es dazu?

Die Idee ist entstanden, weil mein damals 8-jähriger Göttibub im Sommer zu uns in die Agentur kommen wollte, um «ein bisschen zu coden». Wir fanden die Idee, Kids Wissen in diesem Bereich zu vermitteln, gut – deren Umsetzung für einen einzelnen Teilnehmer allerdings zu aufwändig. Ich hatte daraufhin mit Andreas Wieland von Hamilton Bonaduz Kontakt und er hat mir ein ähnliches Problem geschildert. Da haben wir entschieden, MINT-Kurse anzubieten. Das war im Februar 2018. Im März haben wir zwei Kurse ausgeschrieben – innerhalb von 24 Stunden waren sie ausgebucht. Und schon war die MINT-Academy geboren!

Also habt ihr zunächst gar nicht gross in die Weite gedacht?

Doch, das schon, weil wir uns ja auch mit der Ausbildung unserer Lernenden befassen. Mit der MINT-Academy können wir schon früh Einfluss auf die Qualität der Lernenden nehmen. Den Erfolg der MINT-Academy konnten wir schon etwas abschätzen. Die heutige Elterngeneration ist sich bewusst, dass in den nächsten fünf bis zehn Jahren noch einmal ganz neue Berufsbilder entstehen werden und dass MINT-Themen in den Grossteil der Berufe mit einfliessen.

Die Kursteilnehmenden sind jung, zwischen 9 und 12 Jahre alt. Weshalb ist es so wichtig, Menschen bereits früh für die MINT-Thematik zu begeistern?

Ich finde, man müsste das sogar schon viel früher tun, auf spielerische Art. Beispielsweise könnte die Kindergärtnerin mit dem Papierflieger den Auftrieb erklären. So verankern sich solche Themen in der DNA der noch jungen Menschen. Es ist egal, ob unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer später die Kantonsschule besuchen oder eine Lehre absolvieren. Wichtig ist, dass wir in die Breite gehen und aufzeigen, dass die MINT-Thematik für alle Berufsgattungen relevant ist – auch für den Schreiner mit seiner CNC-Maschine.

Kann es sein, dass die MINT-Academy Interessen der Kids weckt, die ihnen (noch) gar nicht bewusst sind?

Ja, das kann passieren. Wir hatten zum Beispiel einen Teilnehmer, der glaubte, es sei genau «sein Ding», Apps zu programmieren. Als Thomas Rungg von Hamilton Bonaduz den Jungen in einem Kurs kennenlernte, erkannte er dessen Talent für die Robotik. Offensichtlich waren seine Begeisterung und seine Fähigkeit für die Robotik «schon in ihm drin».

Manchmal fehlt den Jugendlichen der Zugang zu MINT-Fächern komplett, da MINT auch in der Schule noch zu wenig vermittelt wird.

Ja, das stimmt. Vielleicht müssten auch die Berufsberatungen affiner werden und nicht nur Berufe vermitteln, sondern Interessen ermitteln. Menschen, die sich wirklich für ihren Berufsbereich interessieren, sind qualitativ bessere Mitarbeitende. Mit der MINT-Academy wollen wir aufzeigen, dass das «MINT-Fenster» gigantisch gross ist und viele Möglichkeiten bietet. Die Berufe überschneiden sich immer mehr, die Ausbildungen haben ein höheres Niveau, die Vorkenntnisse sind grösser. Wenn sich jemand heutzutage für einen Beruf entscheidet, ist die Qualität, die er oder sie einbringt, um einiges höher als früher.

Wie sieht es mit dem Genderthema aus? Sind Jungs nicht mehr so sehr an Technik interessiert wie früher? Und werden Mädchen die besseren «Coder»?
Heute zählt die MINT-Academy zum ersten Mal mehr Mädchen als Buben in einem Kurs. Bei der 08EINS AG sind momentan drei Mädchen und drei Jungs als Lernende in Ausbildung. Ich denke, das liegt auch daran, dass Eltern ihre Kids nicht mehr in Richtung der klassischen Frauen- oder Männerberufe pushen. Sie handeln vielmehr nach dem Motto «Du kannst alles werden». Man sieht, dass Mädchen die Abläufe in Mathe und im Codieren mögen und dass Jungs es cool finden, wenn der Roboter über den Tisch läuft oder die Rakete in den Himmel steigt. Darum geht es schlussendlich: um die Begeisterung der Kids für ein ihnen affines Gebiet.

Können wir interessierten Arbeitskräften in der Region überhaupt tolle Möglichkeiten bieten?

Gute Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind da. Es gibt auch laufend neue Treiber im Markt, die jetzt noch klein sind, aber rasch wachsen. Andere wichtige Themen sind die Weiterbildung und das Studium. Wenn Lernende nach ihrem Abschluss dafür ins Unterland gehen, bleiben sie oftmals dort. Deshalb sind zeitgemässe und qualitativ gute Weiterbildungsmöglichkeiten in der Region sehr wichtig. Die FH Graubünden spielt in diesem Kontext eine tragende Rolle. Wegen der Fachhochschule kommen auch mehr Leute aus dem Unterland zu uns.

Die MINT-Academy arbeitet mit verschiedenen Partnern in der Region zusammen. Die FH Graubünden ist Partnerin im Bereich Naturwissenschaften. Wie und weshalb ist es zu dieser Zusammenarbeit gekommen?

Die MINT-Academy brauchte einen Weiterbildungspartner. Rektor Jürg Kessler war von Anfang an sehr offen und hat auch die Attraktivität der MINT-Academy für die Fachhochschule erkannt. Leute mit guter Berufsbildung können sich an der FH Graubünden weiterbilden – und bleiben somit in der Region. Nach den ersten Gesprächen ging alles relativ schnell und unkompliziert. Die Fachhochschule Graubünden ist die optimale Partnerin für uns. Mit ihr können wir den Bereich Naturwissenschaften bestmöglich abdecken – und wir verfolgen die gleichen Ziele: Menschen auszubilden und unsere Region zu stärken.

Können Sie uns Genaueres zu dieser Zusammenarbeit sagen?

Die FH Graubünden hat den Kurs «Bau einer Rakete» für den Bereich Naturwissenschaften konzipiert. Momentan finden die Kurse jeden zweiten Mittwochnachmittag in den Räumen der Fachhochschule statt. Natürlich passen wir die Inhalte laufend an und entwickeln den Kurs gemeinsam weiter. So sind wir immer auf dem neuesten Stand und halten mit dem dynamischen MINT-Umfeld Schritt. Zurzeit sprechen wir auch über die Art der Kursdurchführung. Online-Kurse oder Kurse während der Ferien – auch für Wintersport-Gäste – sind ein Thema. Es gibt immer etwas zu tun. Gerade deshalb ist eine gute Partnerschaft immens wichtig. Genauso wichtig ist es, dass wir gemeinsame Ziele verfolgen. Dabei liegt der Fokus immer auf der Freude und der Begeisterung, die bei der Vermittlung von Wissen entstehen.

Ihre Agentur 08EINS AG ist Initiatorin der MINT-Academy und für den Bereich Informatik verantwortlich.

Wir hatten damals das Problem erkannt und ergriffen die Chance, diese Idee umzusetzen. Wichtig ist vor allem, dass sich jemand für die MINT-Thematik bei den jungen Menschen einsetzt. Wir werden dies so lange tun, bis sich im Bildungssystem etwas ändert. MINT sollte nicht Nebenfach sein, sondern in alles integriert werden. Das ist eine Herzensangelegenheit. Oft sind Kids in einigen Themen fitter als ihre Lehrpersonen, als Digital Natives kommen sie mit Vielem gut klar. Lehrerinnen und Lehrer müssen auch gar nicht immer alles besser wissen – Kinder können auch voneinander lernen. Im Lehrbetrieb ist es ähnlich: Unser Lernender programmiert zu Hause und trägt das Ergebnis dann in den Betrieb. Wir müssen einfach offen sein, das anzunehmen. Vielleicht braucht es gar keinen Wechsel im Schulsystem, sondern einen Wechsel im Denken.

Das braucht wahnsinnig viel Zeit ...

Absolut. Aber es ist der einzige Weg. Es ist die grosse Aufgabe unserer Generation, eine Brücke für die neue Generation zu schlagen. Ich erachte es als riesiges Potenzial, wenn wir erkennen und verstehen, dass unser Gegenüber auch recht hat. Wir müssen die Individualität sehen: Jeder Mensch hat andere Talente und kann andere Rollen übernehmen. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern werden wir weiterhin alles geben, um dieses Umdenken voranzutreiben.

ÜBER DIE MINT-ACADEMY

Die MINT-Academy wurde 2018 von der 08EINS AG und der Hamilton Bonaduz AG gegründet. Inzwischen konnten die FH Graubünden, die Bündner Kantonsschule in Chur, das Lyceum Alpinum Zuoz sowie der Verein Löwenberg Surselva als Partnerinstitutionen gewonnen werden. Bis heute haben rund 200 Kinder Kurse der MINT-Academy besucht.

ÜBER HAEMPA MAISSEN

Haempa Maissen ist Co-CEO und Partner der 08EINS AG und Gründer der MINT-Academy. Er ist Vorstandsmitglied bei InnoQube Swiss AG sowie Beirat am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaften der FH Graubünden. Maissen lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Chur. Er verbindet Menschen mit Ideen.

Beitrag von

Petra Caviezel, wortanwort.ch