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Lebens(t)räume entwerfen – Städte skizzieren
Lebens(t)räume entwerfen – Städte skizzieren

Lebens(t)räume entwerfen – Städte skizzieren

Städte sind Lebensräume, die es zu gestalten gilt. Gerade auch vor dem Hintergrund des Klimawandels ist dies eine besondere Herausforderung. Studierende des Bachelorstudiums Multimedia Production hatten im Juni 2022 im Rahmen des Projekts IMPETUS die Möglichkeit, in Rotterdam ihre Visionen einer lebenswerten Stadt zu skizzieren und damit zu zeigen, wie die «Stadt der Zukunft» ausschauen könnte.

Text: Tanja Hess, Yvonne Herzig Gainsford / Bilder: FH Graubünden

Die Bedrohungen durch den Klimawandel betreffen sämtliche Lebensräume und müssen auch bei Fragen zur Stadtentwicklung mitberücksichtigt werden. Neue Ansätze in der Stadtplanung und alternative Handlungsweisen sind dringend gefragt.

Diesem Bedürfnis kommt das Erasmus+-Projekt IMPETUS nach, bei dem die FH Graubünden vollwertige Partnerin ist. IMPETUS steht für «Innovatives Massnahmenset für das Umweltbewusstsein in der Stadt» (Innovative Measurement Tool towards Urban Environmental Awareness). Das Projekt hat drei Ziele formuliert, um die Auswirkungen des Klimawandels auf Städte abzufedern:

  • Sensibilisierung der Zielgruppen für klimabedingte Herausforderungen auf lokaler Ebene
  • Berücksichtigung dieser Herausforderungen in den Lehrplänen europäischer Hochschulen sowie Ausstattung der betreffenden Studierenden und Mitarbeitenden mit innovativen Methoden, um Daten zur Schadenanfälligkeit durch den Klimawandel zu generieren
  • Verstetigung der Kooperation der Projektpartner zu diesem Thema

Der Problemlösung liegt ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde. Technik, Kunst & Design, Softwarelösungen und Storytelling werden miteinander verbunden. Mit dieser multidisziplinären Herangehensweise lassen sich Schwachstellen in der bestehenden Stadtplanung identifizieren; gleichzeitig können Entscheidungsprozesse unterstützt und die öffentliche Partizipation gefördert werden.

IMPETUS wird von Erasmus+ gefördert, dem EU-Programm zur Unterstützung von Bildung, Ausbildung, Jugend und Sport in Europa. Beteiligt sind verschiedene europäische Hochschulen, unter anderem auch die Fachhochschule Graubünden.

Lösungsansätze skizzieren

Für das Rotterdamer Projekt visualisierten Studierende des Bachelorangebots Multimedia Production der FH Graubünden gemeinsam mit Studierenden aus Danzig, Klagenfurt, Rotterdam, Groningen und Coimbra Ideen, wie eine resiliente und nachhaltige Stadtentwicklung aussehen könnte. Entwickelt wurden diese Ideen gemeinsam mit direkt Betroffenen sowie Planungsexpertinnen und -experten.

Als Methode diente die Skizziertechnik «Sketch & Draw», die von Tanja Hess, Dozentin am Institut für Multimedia Production, seit Jahren erfolgreich im Modul «Visualisieren» gelehrt wird. Anhand von zehn einfachen Regeln erlernen die Studierenden dabei das Skizzieren. Dieses Handwerk ist in den verschiedensten Kontexten von Bedeutung. Skizziert werden erste Entwürfe und Gedanken; Skizzen helfen aber auch dabei, sich Klarheit über etwas zu verschaffen, dienen dem Verständnis und sind die Grundlage von weiterführenden Überlegungen.

Für das Projekt IMPETUS bedeutete dies, Beobachtungen in europäischen Städten als Ideenskizzen festzuhalten. Durch Dekonstruieren und Rekonstruieren von Bestehendem soll die Frage beantwortet werden, welches die Herausforderungen einer «Stadt der Zukunft» sind, die lebenswert bleiben will.

Cohabitation-Stadtlabor Rotterdam

Rotterdam bietet ein ideales Umfeld, um sich dem Thema auf innovative Art und Weise zu nähern. Die Bombardierung durch die Wehrmacht 1940 hinterliess eine völlig zerstörte Innenstadt, eine Stadt ohne Zentrum. Glücklicherweise verfügen die Menschen in den Niederlanden über eine ausgeprägte Resilienz, mit der sie sich immer wieder selbst aus dem sprichwörtlichen «Sumpf» ziehen konnten. «To bounce back» ist das Motto der Stadt heute. So nutzten die Bewohnerinnen und Bewohner die Katastrophe des Krieges und bauten ihre Stadt neu auf. Natur und Asphalt, Tiere und Beton, Menschen aus allen Himmelsrichtungen haben sich hier ganz spezielle Nischen eingerichtet. Immer mit dem Credo, dass das Zusammenleben ein bereicherndes Leben ist. Hierbei spielt auch der grösste Hafen Europas eine entscheidende Rolle. Er öffnet Tür und Tor für Menschen, Kulturen, Tiere, Pflanzen und vieles mehr. Darum ist Rotterdam prädestiniert für das Thema Stadtentwicklung – eine Stadt, in der «Diversity» und «Cohabitation» erprobt und gelebt werden können.

Aus der Distanz …

Während die Studierenden im Jahr 2019 die Möglichkeit hatten, sich vor Ort in Rotterdam inspirieren zu lassen, musste diese Aufgabe die letzten beiden Jahren pandemiebedingt aus der Distanz erfüllt werden. «Bleiben Sie zuhause», lautete die Aufforderung des Bundesrats. Dies führte dazu, dass die Studierenden auch ihren eigenen Lebensraum gezwungenermassen ganz anders wahrgenommen haben. Was ist eine Stadt ohne offene Geschäfte? Wo halten wir uns auf, wenn wir auf Distanz gehen müssen? Welche Erholungsgebiete liegen wirklich in Stadtnähe? Ganz neue Fragen verlangten auch nach neuen Ideen zur Stadtnutzung; auch die Rolle des Hinterlands wurde neu eingestuft. Geboren aus der Not entstanden somit viele innovative Ideen.

… und nun wieder vor Ort

Mit der Aufhebung der Coronamassnahmen und Reisebeschränkungen hatten vier Klassen der FH Graubünden im Juni 2022 erneut die Möglichkeit, nach Rotterdam zu reisen und sich während einer Woche intensiv mit ihren Ideen und Visionen zur «Stadt der Zukunft» zu beschäftigen.

Am Anfang stand die Recherche zu vorgegebenen Themen wie «Gentrifizierung» oder «urbane Gärten». Darauf aufbauend suchten sich die Studierenden einen Ort, den sie mit der Design-Thinking- und Idea-Sketching-Methode neu entwerfen sollten, um innovative Lösungsansätze zu bestehenden Problemen aufzuzeigen.

In rund sechzig Workshops in den Strassen von Rotterdam, auf dem Hochschulcampus, auf öffentlichen Plätzen sowie in Ladengeschäften und Museen konnten die Studierenden ihre Skills im Skizzieren erweitern. Durch morgendliche Inputreferate von Expertinnen und Experten aus den Bereichen Stadtentwicklung, Wassermanagement und Zeichnen wurden ihre Innovationsfähigkeit mit bestehenden Ansätzen erweitert und ihre Skills in puncto Gestaltung und Umsetzung in nachhaltige Bahnen gelenkt.

Wissenschaftlich wird das Projekt Sketchcity durch die Erstellung kognitiver Karten flankiert: Mittels selbstgezeichneter Stadtrundgang-Karten, auf denen einerseits nachhaltige Lösungen vermerkt, andererseits Potenziale für nachhaltige Interventionen erfasst werden, entsteht ein messbarer Output zur Wirkung und zu den künftigen Potenzialen einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Mit anderen Worten: Es lässt sich nachvollziehen, wie die Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeitsthemen den Blick auf die Umwelt – die Stadt – verändern kann.

Die jüngsten Entwicklungen in der Ukraine verdeutlichen einmal mehr, wie stark Politik, Ressourcen und Klimaschutz zusammenhängen und wie vernetzt die Nachhaltigkeitsthematik ist. Die Ziele für nachhaltige (Stadt)Entwicklung helfen, neue Anforderungen zu strukturieren und so individuelle Lösungsansätze umzusetzen.