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Neue Technologien - machen alle mit?
Neue Technologien - machen alle mit?

Neue Technologien - machen alle mit?

Die Entscheidung, ob ein Individuum oder ein Unternehmen eine neue Technologie anwendet, beschäftigt seit Längerem verschiedene Forschungsdisziplinen. Warum werden bestimmte Technologien angenommen und andere gar nicht? Wie laufen solche Entscheidungen auf Unternehmensebene ab? Ein Blick in die Forschung kann Einblicke geben.

Text: Kerstin Wagner / Bilder: FH Graubünden

Das in der Sozialpsychologie entwickelte Technologie-Akzeptanz-Modell (TAM) versuchte zunächst zu erklären, weshalb sich Individuen für die Nutzung von Computern am Arbeitsplatz entscheiden (Davis 1989). Das TAM-Modell wurde inzwischen vielfach weiterentwickelt und wird bis heute für viele Online-Themen angewendet, beispielsweise für mobile Web-Applikationen, E-Commerce-Anwendungen, Online-Banking, elektronische Steuererklärungen oder Websites (Venkatesh et al. 2003, Featherman und Pavlou 2003, Pikkarainen et al. 2004).

Ist die Technologie einfach? Ist sie nützlich?

Es wurden zwei wichtige Faktoren nachgewiesen, die die Nutzung einer neuen Technologie beeinflussen (Venkatesh et al. 2003): die wahrgenommene Einfachheit der Anwendung (perceived ease of use) und die wahrgenommene Nützlichkeit (usefulness). Eine Technologie wird als nützlich wahrgenommen, wenn die Person denkt, dass deren Nutzung einen Leistungsvorteil für sie generieren wird. Als einfach wird eine Anwendung wahrgenommen, wenn das Arbeiten mit ihr als einfach empfunden wird (Davis 1989). Neben diesen zwei Bestandteilen wurde das Modell um einen weiteren Faktor ergänzt: das wahrgenommene Risiko (Featherman und Pavlou 2003). Wahrgenommene Risiken lassen die künftigen Nutzniessenden bei der Einführung einer neuen Technologie zögern. Dabei sind Risiken objektiv schwer zu messen. Das wahrgenommene Risiko kann die Entscheidung beeinflussen, wenn es ein Gefühl von Unsicherheit, psychologische Beschwerden, Angstgefühle oder Konflikte hervorruft (Featherman und Pavlou 2003).

Was heisst das konkret für die Praxis?

Im Folgenden wird der Blick auf zwei Anwendungsfelder – Social Media und Building Information Modeling, kurz BIM – gerichtet. Sie werden aus der Perspektive von Unternehmen, insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), betrachtet.

Social-Media-Anwendungen ermöglichen es Unternehmen, mit ihren Anspruchsgruppen zu kommunizieren und sich auszutauschen. Unternehmen nutzen diese Plattformen, um den Bekanntheitsgrad ihrer Marken zu steigern, die Kosten für Marketingaktivitäten zu reduzieren und die Geschwindigkeit des Prozesses durch direktes Kundenfeedback zu beschleunigen (De Vries et al. 2012). Ergebnisse zeigen jedoch, dass Unternehmen oft nicht verstehen, auf welche Weise Social Media einen Nutzen für ihr Geschäft generieren können (Beier und Wagner 2016). Entsprechend werden Social-Media-Anwendungen häufig nicht als nützlich wahrgenommen. Da mag auch nicht helfen, dass sie auf den ersten Blick einfach in der Anwendung sind. Denn obwohl Social-Media-Plattformen leicht verfügbar, kostengünstig und einfach in der Anwendung sind, zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass es mehr für eine erfolgreiche Implementierung braucht, damit sie auch tatsächlich positive und planbare Effekte für das Unternehmen generieren. So haben viele KMU bei der Einführung von Social Media grosse Schwierigkeiten, deren Potenziale tatsächlich zu erkennen und auszuschöpfen. Doch der Hauptfaktor, der Führungskräfte von KMU davon abhält, Social Media zu nutzen, ist ihre Wahrnehmung hinsichtlich der damit verbundenen Risiken. Social-Media-Anwendungen werden im Vergleich zu etablierten Kommunikationskanälen (z. B. E-Mail, Telefon oder persönliche Kommunikation) als riskanter eingestuft; zudem werden sie mit einem höheren Mass an Unsicherheit und fehlender Kontrolle assoziiert, weil sie von externen Dritten betrieben und gestaltet werden (Steinman und Hawkins 2010).

Social-Media-Anwendungen werden häufig nicht als nützlich wahrgenommen.

Wie nutzen Unternehmen BIM für ihre baubezogenen Zwecke?

Building Information Modeling (BIM) ist eine Methode, um die Arbeitsprozesse von allen am Bau beteiligten Gewerken zu digitalisieren. Sämtliche planungsrelevanten Informationen werden in einer synchronisierten Datenbasis zusammengeführt. Ziel ist es, die Planungsqualität und die Zusammenarbeit zu verbessern, den Bauprozess zu beschleunigen und Fehler wie Kollisionen frühzeitig zu erkennen, bevor sie sich auf der Baustelle ereignen. Hinzu kommt, dass die Visualisierung von Projektinformationen die Kommunikationsqualität von Projekten verbessert (Stanley & Thurnell 2014). Doch obwohl die Vorteile von BIM auf der Hand liegen, hört man die Branche von einem «BIM-Frust» sprechen. Die Anwendungsrate von BIM ist und bleibt – vor allem bei KMU – relativ niedrig.

Vorherrschende Barrieren sind die fehlende Bereitschaft, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen, sowie die Meinung, dass BIM zu viel Zeit und Ressourcen für den Schulungsprozess beansprucht (Lindblad 2013). Die Einfachheit der Nutzung wird somit nicht wahrgenommen. Zu diesen Zweifeln trägt auch bei, dass der Nutzen von BIM in Bezug auf die finanziellen Erträge zu wenig greifbar ist. Eine Nützlichkeit scheint somit auch diesbezüglich zu fehlen. Prinzipiell zeigt sich, dass der Einsatz von BIM hohe Anforderungen an die technologischen, organisatorischen, sozialen und managementbezogenen Fähigkeiten der Beteiligten stellt. In der Praxis liegt der Fokus sehr stark auf den technologischen Aspekten von BIM. Gerade die Vernachlässigung der sozialen, organisatorischen und managementbezogenen Aspekte wird in der Forschung als einer der zentralen Gründe für das Scheitern vieler BIM-Projekte erachtet.

Mehrwerte durch kulturellen Wandel

Bei der erfolgreichen Implementierung einer neuen Anwendung geht es folglich nur selten um die Software, sondern vor allem um den organisatorischen Wandel, der vollzogen werden muss. Unternehmen müssen ihre Arbeitsabläufe an die neuen Anforderungen anpassen. Dazu müssen sie verstehen, auf welche Weise die Anwendung Mehrwerte für die operativen Prozesse und die täglichen Aktivitäten generieren kann. Denn nur, wenn eine Kosten-Nutzen-Analyse bzw. Aufwands- und Ertragsrechnung gemacht werden kann, wird eine Implementierung realistisch.

Die Visualisierung von Projektinformationen trägt dazu bei, die Zusammenarbeit zu verbessern.

Beitrag von

Prof. Dr. Kerstin Wagner, Professorin Schweizerisches Institut für Entrepreneurship