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PROMO 35 – Alles digital, alles gut?
PROMO 35 – Alles digital, alles gut?

PROMO 35 – Alles digital, alles gut?

Forschungsergebnisse in nichttechnischen Disziplinen werden immer häufiger digital aufbereitet. Das Projekt PROMO 35 der Fachhochschule Graubünden zeigt, dass das interessierte Publikum dadurch besser und schneller erreicht wird. Das Projekt soll den Gemeinden bei der politischen Nachwuchsförderung helfen. Trotzdem hat der klassische Leitfaden in der angewandten Forschung nicht ausgedient.

Text: Curdin Derungs, Dario Wellinger / Bild: Fachhochschule Graubünden

Die Digitalisierung wälzt nicht nur Branchen um und eröffnet neue Geschäftsmodelle ‒ sie beeinflusst zum Beispiel auch, wie an der FH Graubünden «Produkte» aus der angewandten Forschung entstehen und verbreitet werden. Die Chancen der digitalen Forschungsergebnisse liegen auf der Hand: Ihre Vermarktung ist kostengünstiger, ihre Verbreitung und die Erreichbarkeit im relevanten Praxis- und Fachpublikum besser und schneller. Ausserdem können digitale Forschungsergebnisse attraktiver visualisiert und interaktiver aufbereitet werden. Gleichzeitig erhöht sich der Informations- und Mehrwert von Forschungsergebnissen für die Interessierten.

Gemeindeämter mit jungen Erwachsenen besetzen

Die Forschungsergebnisse des Projekts «PROMO 35 – Politisches Engagement von jungen Erwachsenen in der Gemeindeexekutive» wurden vom Zentrum für Verwaltungsmanagement der FH Graubünden digital aufbereitet. Im Rahmen dieses Projekts wurden die Bedürfnisse von jungen Erwachsenen wissenschaftlich untersucht. Laut Studienergebnissen sind junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren in Schweizer Gemeindeexekutiven stark untervertreten, aber durchaus daran interessiert, sich politisch in der Gemeinde zu engagieren. Der zeitliche Aufwand und die langfristige Verpflichtung halten jedoch viele davon ab. Insgesamt beträgt das Rekrutierungspotenzial bei jungen Erwachsenen rund 20 Prozent und ist damit höher als erwartet. Daraus ergeben sich für Gemeinden mit Rekrutierungsschwierigkeiten gute Perspektiven, ihre Gemeindeämter mit jungen Erwachsenen zu besetzen. Es ist allerdings notwendig, die Gemeindeämter attraktiver zu gestalten und die Jungen besser anzusprechen.

Die Erkenntnisse aus PROMO 35 wurden auf der Plattform promo35.ch in Form von über 80 Massnahmen digital aufbereitet. Diese sollen in erster Linie Gemeinden bei der politischen Nachwuchsförderung helfen und richten sich an verschiedene Zielgruppen. Hierzu wurden unterschiedliche Ansätze entwickelt (vgl. Abbildung):

  1. Gemeindepolitikerinnen und Gemeindepolitiker sowie die Lokalparteien gelangen direkt zu 18 Stossrichtungen, denen die einzelnen Massnahmen und Praxisbeispiele zugeordnet sind. Sie sollen so schnell Inspiration und Illustrationsbeispiele finden.
  2. Gemeindeverwaltungen und Personen, die sich intensiver mit der Thematik beschäftigen wollen, können für die eigene Gemeinde online einen Fragebogen ausfüllen. Auf dieser Basis werden die gemeindespezifischen Voraussetzungen für das politische Engagement junger Erwachsener erfasst und Massnahmen vorgeschlagen, die den grössten Nutzen versprechen. Dadurch erreicht das Online-Tool mit dem analytischen Zugang einen hohen Individualisierungsgrad.
  3. Schliesslich sollen mit der Plattform promo35.ch auch junge Erwachsene direkt erreicht werden. Sie finden dort in erster Linie video-animierte Informationen über die Gemeindepolitik und die Möglichkeiten, sich in einer Gemeinde politisch zu engagieren, sowie Zugang zu weiterführenden Online-Plattformen (z. B. engage.ch).

Medienecho und Workshops

Dieses Zusammenspiel von «klassischen» und digitalen Formen von Forschungsergebnissen zeigt sich exemplarisch im Projekt PROMO 35. Über 6000 Personen haben das Online-Tool in den ersten elf Monaten bereits aufgerufen. Gleichzeitig fanden die Forschungsergebnisse aber auch in der analogen Welt grosse Verbreitung: So wurden über 160 Erwähnungen in Schweizer Medien generiert, 10 Workshops mit Gemeinden durchgeführt und 12 Referate vor Fachpublikum gehalten. Zudem wurden mit Blick auf PROMO 35 politische Vorstösse initiiert und Veranstaltungen in der ganzen Schweiz organisiert (z. B. unter dem Dach von «Jahr der Milizarbeit»). Trotz Vormarsch der digitalen Medien zeigt sich: Forschungsergebnisse mit dem Anspruch auf Praxisrelevanz müssen auch in der «realen Welt» bleibende Akzente setzen.

Online und Offline Hand in Hand

Zusammenfassend erwartet heute die Praxis, dass Forschungsergebnisse leicht zugänglich und im besten Fall individualisierbar sind. Wie das Beispiel PROMO 35 illustriert, bieten sich auch in der Wissenschaft neue Chancen, durch die Digitalisierung an Relevanz zu gewinnen. Trotzdem haben «physische» Produkte wie eben ein gedruckter Leitfaden, Referate oder Zeitungsartikel nicht ausgedient. Angewandte Forschung – wie sie die Fachhochschulen typischerweise betreiben – lebt vom lebendigen Austausch mit den betroffenen Personen aus der Praxis. Daraus folgt: Die Verbreitung von Forschungsergebnissen muss dort stattfinden, wo sich die Interessierten bewegen. Dies geschieht online, aber nicht nur. Für die vertiefte Diskussion, die kritische Auseinandersetzung oder Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen sind das persönliche Gespräche und das Zusammentreffen von Forschenden mit Praktikerinnen und Praktikern vor Ort am besten geeignet. Deshalb sind «digital» und «analog» nicht gegensätzliche, sondern komplementäre Elemente. Oder anders ausgedrückt: «Online + Offline = Mehrwert».

PROMO 35 in Kürze
Das Projekt PROMO 35 ist unter fhgr.ch/promo35 auf einen Blick ersichtlich. Es wurde zwischen März 2017 und Januar 2019 erarbeitet und von der Gebert Rüf Stiftung finanziert. Am Projekt wirkten zahlreiche Praxispartner inhaltlich mit, u. a. der Dachverband Schweizer Jugendparlamente, der Schweizerische Gemeindeverband und kantonale Gemeindeämter. Das Online-Tool und der Leitfaden mit über 80 Massnahmen zur Nachwuchsförderung in der Gemeindeexekutive ist zu finden unter: promo35.ch

Beitrag von

Prof. Dr. Curdin Derungs
Dozent und Projektleiter, Zentrum für Verwaltungsmanagement

Dario Wellinger
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Zentrum für Verwaltungsmanagement