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Führungskräfte für digitale und nachhaltige Lieferketten rüsten
Führungskräfte für digitale und nachhaltige Supply Chains rüsten

Führungskräfte für digitale und nachhaltige Supply Chains rüsten

Digitalisierung, Lieferketten und Nachhaltigkeit sind hohe Prioritäten für Unternehmen und Regierungen weltweit. Dominic Käslin, Studienleiter an der Fachhochschule Graubünden hat mit Andrew Lahy, Solutions Director bei DSV - Global Transport and Logistic, Co-Director des PARC Institute an der Cardiff University und Gastreferent an der FH Graubünden, darüber gesprochen, wie das Bachelorangebot Digital Supply Chain Management wissenschaftlich fundiertes Wissen und praxisrelevante Kompetenzen vermittelt, um digitale und zirkuläre Supply Chains der Zukunft zu gestalten und umzusetzen.

Interview: Dominic Käslin / Bilder: Shutterstock

Die letzten Monate und die Coronapandemie haben die Schwächen von Supply Chains gezeigt. Sind diese ineffizient und was muss sich verändern?

Produkte werden häufig in Asien hergestellt und in einem Netzwerk von Flugzeugen, Schiffen, Zügen, LKWs und Lagerhäusern um den Globus bewegt. Finanziell sind die globalen Supply Chains, die über die letzten 60 Jahre entwickelt wurden, sehr effizient. Sie sind heute aber mit einer grossen Herausforderung konfrontiert: Die Welt hat sich verändert, Supply Chains aber noch nicht. Schon vor Covid-19 haben technische Entwicklungen, sowie makroökonomische und politische Veränderungen, diese zuvor effizienten Lieferketten nach heutigem Massstab ineffizient gemacht. Die Pandemie hat das verstärkt und wir müssen überdenken, wie globale Supply Chains neu zu gestalten sind. Umweltaspekte machen es nötig, diese Veränderungen jetzt zu starten.

Wie wirken sich diese Ineffizienzen auf die Nachhaltigkeit aus?

Als Konsumierende, aber auch als Gesellschaft, wollen, bzw. müssen wir Produkte und Dienstleistungen kaufen, die nachhaltig herstellt und geliefert werden. Die heutigen Supply Chains sind aber nicht ökologisch nachhaltig. Die Menge an Schadstoffen, insbesondere auch CO2, die beim Transport über lange, weltweite Lieferketten entstehen und die Menge an Produkten und Material, die als Abfall enden, müssen reduziert werden. Um das zu erreichen, müssen wir radikal neu denken.  Wir brauchen einen Übergang von den langen und linearen Supply Chains der Vergangenheit hin zu kurzen, verbundenen und im Sinne der Kreislaufwirtschaft «zirkulären» Supply Chains der Zukunft.

Wieso kann die Digitalisierung von Supply Chains die Nachhaltigkeit der Kernprozesse von Unternehmen verbessern?

Die Digitalisierung kann Lieferketten bezüglich Effizienz und Nachhaltigkeit revolutionieren. Neue, digitale Technologien erlauben es, Produkte zu personalisieren, vorherzusagen wann und wo diese benötigt werden um dann, mittels additiver Fertigung («3D-Druck») nach Bedarf zu produzieren und die Lieferung mit Robotern und autonomen Fahrzeugen zu unterstützen. Die Nutzung von Produkten kann über den gesamten Lebenszyklus verfolgt werden, damit diese zurückgenommen und wiederverwendet werden können, sobald ein Kunde keinen Bedarf mehr hat. Es gibt keinen Zweifel, dass sich Supply Chains in diese Richtung entwickeln. Deshalb müssen alle Managerinnen und Manager, nicht nur Supply-Chain-Managerinnen und -Manager, verstehen, was die Digitalisierung zur Transformation von Supply Chains beitragen kann. Aber genau so wichtig ist es zu verstehen, wie diese neuen digitalen Technologien operationalisiert und kommerzialisiert werden können. Es gibt nicht die eine Technologie, oder das Wundermittel, das eine Lieferkette transformiert. Die Herausforderung ist es zu wissen, welche Technologie wann, wo und wie in einer Supply Chain eingeführt werden kann. Diese Kompetenzen erwerben die Studierenden an der FH Graubünden, um damit zur Entwicklung der Supply Chains der Zukunft beizutragen.

Anteil CO2-Emissionen, welche durch Supply Chain Aktivitäten verursacht werden - nach Branche.
Die Digitalisierung kann Lieferketten bezüglich Effizienz und Nachhaltigkeit revolutionieren.

Das hört sich vielversprechend an – aber auch komplex. Was kann beispielsweise ein kleines und mittleres Unternehmen, ein KMU, hier tun?

Die Aufgabe ist komplex, aber ich denke, dass das genau der Grund ist, weshalb Chancen, besonders auch für KMU, entstehen. In vielen Fällen sind kleine und mittlere Unternehmen in der Lage, den Übergang in die digital verbundenen, lokalen und zirkulären Supply Chains schneller zu vollziehen, als das globale Konzerne können. Zudem bieten die neuen digitalen Technologien die Chance, auf ein viel grösseres Ökosystem zuzugreifen, sich mit anderen Unternehmen zu verbinden und schneller mit diesen zusammenzuarbeiten, als das früher möglich war.

Viele Unternehmen konzentrieren sich auf die Reduktion von CO2 (Dekarbonisierung). Gibt es aber auch einen Bedarf für die sogenannte Entmaterialisierung und können Sie erklären, was damit gemeint ist?

Der Fokus auf die Dekarbonisierung ist sinnvoll, wir sind aber davon überzeugt, dass dies nur ein Teil der Lösung ist. Die Entmaterialisierung ist genauso wichtig. Dieser Aspekt scheint weniger Aufmerksamkeit zu erhalten, ist aber zentral für die Tonnen an Elektrogeräten, Bekleidung etc., die auf Müllhalden landen oder verbrannt werden. Die Entmaterialisierung ist ein Thema, mit dem ich mich als Forscher und auch beruflich beschäftige, weil es nötig ist, eine neue Art der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln, in der kein Material mehr in Mülldeponien landet, sondern repariert, wiederaufbereitet oder einem neuen Verwendungszweck zugeführt wird. Damit wird der Nutzen des Materials und dessen Lebenszyklus maximiert.

Unternehmen dabei zu unterstützen, den Übergang in neue, zirkuläre Supply Chains zu schaffen, ist der Hauptfokus des RemakerSpaceTM am PARC Institute und ich sehe auch für Unternehmen wie DSV – Global Transport and Logistic wesentliche Potenziale. Mit einem grossen Netzwerk an Standorten auf der ganzen Welt und den technischen Kompetenzen im Bereich Logistics Manufacturing Services, ist DSV sehr gut positioniert, Unternehmen dabei zu unterstützen, die Lebensdauer von Produkten zu verlängern, z.B. durch Dienstleistungen in den Bereichen Reparatur, Wiederaufbereitung und Umnutzung. Damit spielen Unternehmen wie DSV eine wesentliche Rolle dabei, den Übergang zu zirkulären Supply Chains zu beschleunigen.

Die FH Graubünden bietet mit dem Bachelorangebot Digital Supply Chain Management die Möglichkeit, genau diese Werkzeuge und Konzepte, die wir diskutiert haben, zu erlernen. Welche Perspektiven haben Absolventinnen und Absolventen dieser Ausbildung?

Es gab noch nie eine so spannendere Zeit wie heute, um im Supply Chain Management zu arbeiten. Aber noch wichtiger ist, dass wir in Supply Chains eine beispiellose Nachfrage nach gut ausgebildeten Fach- und Führungspersonen mit digitalen Kompetenzen und einer Leidenschaft für Nachhaltigkeit haben. Kurz gesagt, die Aussichten für die Absolventinnen und Absolventen des Bachelorangebots Digital Supply Chain Management sind exzellent.

Über Andrew Lahy

Andrew Lahy ist in Grossbritannien aufgewachsen. Seine betriebswirtschaftlichen Studien schloss er mit einem MBA an der University of Bradford und einem Doktorat an der University of Buckingham ab. Seit 2011 ist er in verschiedenen Rollen beim global tätigen Logistikdienstleister DSV (ehemals Panalpina) tätig, aktuell als Director Solution Design für Logistics Manufacturing Services. Seit 2013 ist er zudem als Co-Director des PARC Institute of Manufacturing, Logistics and Inventory and der Cardiff University tätig. Vom Lean Management Journal wurde er 2015 als eine der «Top 25 Most Inspirational Individuals in Lean Management» ausgezeichnet. Seine umfangreichen Erfahrungen teilt er unter anderem als Mitglied des Vorstands der Schweizer Länderorganisation des Chartered Institute of Procurement & Supply CIPS und als Gastreferent an der Fachhochschule Graubünden.