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Als Studienleiter einen Studiengang aufbauen
Als Studienleiter einen neuen Studiengang aufbauen

Als Studienleiter einen neuen Studiengang aufbauen

Die Adaption digitaler Innovationen in der Gesellschaft erhöht den Fachkräftemangel – auch in Graubünden. Die FH Graubünden stellt sich der Herausforderung mit zukunftsweisenden Studiengängen. Wie solch ein Studienangebot entsteht, schildert Armando Schär, Studienleiter Digital Business Management.

Text: Armando Schär / Bilder: FH Graubünden

Es war meiner Meinung nach mutig von der Fachhochschule Graubünden, einen jungen IT-Berater für diese Aufgabe einzustellen. Meine Aufgabe war es, einen Studiengang aufzubauen, der auf den Fachkräftebedarf der sich digitalisierenden Wirtschaft zugeschnitten ist – ein Studienangebot, das Personen ausbildet, die in der Lage sind, die Anforderungen dieser ominösen Digitalisierung zu meistern, Chancen zu nutzen und innovative Lösungen zu konzipieren.

Der Studiengang Digital Business Management wurde zunächst als Studienrichtung des Bachelorstudiums Information Science konzipiert und umgesetzt. Erste Modulpläne, das sogenannte Curriculum, habe ich mit meinem Team in intensiver Zusammenarbeit mit Unternehmenspartnern und einer Berliner Partnerhochschule erstellt. Die Herausforderung lag insbesondere darin, ein Kompetenzprofil für die Absolventinnen und Absolventen zu schaffen – für einen Markt, der sich erst entwickelte und dynamisch veränderte. Dabei wurden von diversen Anspruchsgruppen Anforderungen und Bedürfnisse an mich herangetragen. Die Anzahl der möglichen Inhalte war begrenzt und so musste ich ständig zwischen legitimen Ansprüchen wie «Sie müssen doch wissen, wie eine Volkswirtschaft funktioniert!» oder «Bei uns wird nur noch mit Scrum gearbeitet, andere Projektmanagement-Methoden braucht es nicht mehr.» bis hin zu «Angular.js ist das wichtigste clientseitige JavaScript-Webframework, das sollten die Studierenden doch beherrschen.» sorgfältig abwägen.

Im Studienprogramm wurde also versucht, genauso dynamisch auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren. Es überrascht daher wenig, dass mit dem Start der vierten Generation Studierender im Herbst 2020 bereits die dritte Überarbeitung des Studienplans erfolgte.

Herausforderungen im Aufbau

Die Herausforderung zu Beginn lag darin, zeitgleich ein Curriculum zu schaffen, Partnerschaften aufzubauen, das geeignete Lehrpersonal zu rekrutieren und einen Studiengang zu vermarkten, den es noch nicht gab – ja dessen Berufsbilder noch nicht mal einen breiten Bekanntheitsgrad hatten. Für diese zukunftsweisenden Tätigkeiten galt es, als Studienleiter Begeisterung zu versprühen sowie Pionierinnen und Pioniere zu finden, die bereit waren, sich auf ein neues Studienangebot einzulassen, das forsch nichts Geringeres behauptete, als die Digital Business Managerinnen und Manager der Zukunft auszubilden.

Immer wieder wurde dabei von Studieninteressierten verwundert nachgefragt, wieso dieser Studiengang ausgerechnet in Chur angeboten werde. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass es für dieses Studienangebot keinen besseren Ort als Graubünden gibt. Chur liegt nicht im Epizentrum der Digitalwirtschaft der Schweiz und es gibt erst wenige etablierte Ausbildungsangebote, die für Konzeptions- und Projektleitungsaufgaben im digitalen Bereich qualifizieren. Hier sind wir etwas «ab vom Schuss» – die perfekte Ausgangslage also, einen Studiengang zu schaffen, der sich nicht an bestehenden Curricula orientieren muss, nicht unter kritischer öffentlicher Aufsicht steht (die Digitalisierung wurde ja zeitweise mit dem Verlust von Arbeitsplätzen gleichgesetzt) oder mit «altgedienten Koryphäen» aus dem Fachbereich auftreten muss.

Ich setzte bewusst auf junge, talentierte Lehrbeauftragte aus den relevanten Feldern der Digitalwirtschaft. Sie stammen aus bekannten Software-, Beratungs- und Medienunternehmen wie Deloitte, Swisscom, Namics oder der Tamedia-Gruppe. Es sind diese ausgewählten Spezialistinnen und Spezialisten, die wissen, welche Kompetenzen Tag für Tag in Digitalprojekten gefragt sind. Gleichzeitig konnten sie ihre beruflichen Netzwerke in den Studiengang einbinden. Nach elf Monaten Planung, Konzeption, Studierendenbewerbung und Modulvorbereitung starteten wir den ersten Studientag mit dem Modul «Design Thinking».

Meetup mit dem Instagram-Magazin Izzy im Service Innovation Lab (SIL) der FHGR
Customer Journey Workshop im Modul Digital Marketing
Präsentation der Erstsemester-Resultate im Modul Design Thinking für einen Use Case der RhB
Zu Besuch im Co-Work der «Alten Münze» anlässlich einer Studienreise nach Berlin
Zu Besuch bei «Get your Guide» in Berlin anlässlich einer Studienreise
Meetup von DBM-Studierenden mit Social-Media-Expertinnen und -Experten von Siruup

Die Studierenden arbeiten an realen Projekten

Fach- sowie Sozial- und Methodenkompetenzen erlernen sich besser mit hohem Praxisbezug. Deshalb haben wir bis heute in über 60 Studierendenprojekten (davon knapp ein Drittel für Unternehmen aus dem Kanton Graubünden) mit erheblichem Aufwand an den praktischen Herausforderungen realer Digitalisierungsprojekte gearbeitet: Die Beratung einer Bank bezüglich ihrer Mobile-Strategie, die Erstellung von digitalen Prototypen für neue modulare Versicherungsdienstleistungen oder die Konzeption von digitalen Marketingkampagnen für ein Bahnunternehmen sind einige Beispiele hierfür. Von der engen Kooperation mit der Wirtschaft profitieren die Studierenden und die Unternehmen zugleich. Der Kontakt der Unternehmen zu den Studierenden ist ein direkter Draht zu potenziellen Arbeitskräften, der – wie sich bereits abzeichnet – auch gut funktioniert. Viele Studierende konnten durch das praxisnahe Studium ihre künftigen Arbeitgeber kennenlernen.

Das Wachstum des Studiengangs gestalten

Das Bachelorstudium Digital Business Management startete im Herbstsemester 2020 bereits zum vierten Mal – derzeit sind über 230 Studierende in sieben Klassen eingeschrieben. Dieses Wachstum reflektiert sich auch in der Anzahl der Lehrbeauftragten (es sind rund 65 Dozierende und Lehrbeauftragte, die übers Jahr verteilt unterrichten), in den aktuell 46 angebotenen Modulen und im Ausbau der drei neuen Vertiefungen. Die Gestaltung dieses Ausbaus wurde mit der Umwandlung der Studienrichtung in einen Studiengang durch die Bündner Regierung im Herbst 2020 ermöglicht. Somit darf neu der Studientitel «Bachelor of Science FHGR in Digital Business Management» mit der entsprechenden Vertiefung (dem sogenannten Major) vergeben werden. Die damit einhergehende Weiterentwicklung des Studiengangs erlaubt es den Studierenden, einen individuellen Lernpfad zu verfolgen. Im Verlauf des Studiums können sie nun 13 Module selbst auswählen. So ist es den Studierenden jetzt möglich, eine der drei Vertiefungen «User Experience», «Information Technology» oder «Digital Innovation» zu erwerben. Mit dieser modularen Individualisierung des Studiums kann noch stärker auf die Bedürfnisse der Digitalwirtschaft eingegangen werden. Letztlich können sich die Studierenden dadurch gezielter auf die angepeilten Berufsbilder spezialisieren.

Erwartungen und Highlights

Mit der Studienleiterfunktion sind grosse Erwartungen und viele Aufgaben verknüpft. Dank meines engagierten Teams und der begeisterten Studierenden durfte ich spezielle Highlights feiern. Bereits 54 Studierenden, die der Fachhochschule Graubünden und mir ihr Vertrauen geschenkt hatten, konnte ich das Digital-Business-Management-Diplom überreichen. Schon kurz nach dem Abschluss ihres Studiums übernahmen sie verantwortungsvolle Funktionen und gestalten nun die Digitalwirtschaft von morgen mit. Die Begeisterung für die digitale Welt und für unseren Studiengang tragen sie in die Unternehmen und die Wirtschaft hinein und nehmen dabei gemeinsame Erlebnisse – wie die Studienreise nach Berlin, die erfolgreichen Studienprojekte und einen Rucksack voller Fachkompetenz – mit. Es erfüllt mich mit Stolz, einen Beitrag zum erfolgreichen Karrierestart so vieler Absolventinnen und Absolventen geleistet zu haben, und ich freue mich, die Karrieren der Alumni nun mitzuverfolgen!

Armando Schär, Studienleiter Digital Business Management