Herausforderungen der Schweizer Geldpolitik im Brennpunkt der wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion
12. Mai 2023
Der diesjährige Gesprächskreis des ZWF stand im Zeichen von Inflation und Finanzstabilität. SNB- Präsident Thomas Jordan referierte am 10. Mai 2023 über die aktuellen Herausforderungen und stellte sich der Diskussion in der voll besetzten Aula. Zuvor erörterten Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und von Unternehmen die Konsequenzen des neuen monetären Umfelds.
Der vom ZWF jährlich organisierte Gesprächskreis zur Wirtschaftspolitik stellt eine Diskussionsplattform zu einem aktuellen wirtschaftspolitischen Thema dar. Damit will das ZWF aktuelle Fragen der Forschung mit Expertinnen und Experten aus der Praxis diskutieren und in die interessierte Öffentlichkeit tragen. Diese Veranstaltung wird in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Wirtschaftspolitik durchgeführt und in diesem Jahr durch die Graubündner Kantonalbank unterstützt.
Öffentlicher Anlass
Die Aula der FH Graubünden war bis auf den letzten Platz besetzt, als der Nationalbankpräsident Thomas Jordan in klaren Worten die Herausforderung der Geldpolitik angesichts der gestiegenen Inflation erläuterte und erklärte, welchen Beitrag die SNB geleistet hat, um die Finanzstabilität in Anbetracht der Credit Suisse- Krise zu sichern.
Er wies darauf hin, dass die SNB den Auftrag habe, primär die Preisstabilität zu gewährleisten, aber dabei die konjunkturelle Entwicklung berücksichtigen muss und zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen hat. Mit den verschiedenen Liquiditätshilfen für die Credit Suisse sei die SNB an den Rand des gesetzlichen Möglichen gegangen.
Nach der Einschätzung der SNB liegt die Inflation in der Schweiz zurzeit über dem preisstabilen Bereich. Aber dank der Aufwertung des Schweizer Franken ist die Teuerung deutlich tiefer als im Ausland. Der Inflationsdruck dürfte vorerst erhöht bleiben. Zudem müsse die SNB Zweitrundeneffekten entgegenwirken. Deshalb sei nicht auszuschliessen, dass die SNB den Zins weiter erhöhe.
Expertenrunde
Die vorgängige Expertenrunde wurde eröffnet durch zwei Referate. Dirk Niepelt von der Universität Bern legte dar, dass für den Anstieg des Preisniveaus (Inflation) letztlich immer die Zentralbanken verantwortlich sind. Hingegen führen beispielsweise Energieverknappungen, Lieferkettenprobleme oder der Arbeitskräftemangel zu Veränderungen der relativen Preise. Durch eine vorausschauende Geldpolitik können die Zentralbanken aber ein Überspringen dieser Effekte auf die Inflationsrate verhindern. Jedoch ist Niepelt skeptisch, ob alle Zentralbanken diese Aufgabe wirksam und zeitnah umsetzen werden.
Stefan Legge von der Universität St.Gallen vertrat die Ansicht, dass wir möglicherweise im Übergang zu einem neuen Regime stehen mit dauerhaft höheren Inflationsraten. Verschiedene Faktoren, etwa die Demografie, Klimawandel und geopolitische Konflikte, erschweren es der amerikanischen und europäischen Zentralbank, die Inflation wieder auf 2% zu senken. Und eine dauerhaft höhere Inflation in der Eurozone und im Dollarraum beeinflusse auch die Schweiz. Nur mit einer ständigen nominalen Aufwertung des Schweizer Frankens könne die Inflation dauerhaft im preisstabilen Bereich gehalten werden.
In einer von Monika Engler geleiteten Podiumsdiskussion mit Martina Müller-Kamp (Graubündner Kantonalbank) und mit Andreas Züllig (Hotelier Suisse) wurde konkret besprochen, wie sich die höhere Inflation und die gestiegenen Zinsen auf die Geschäftstätigkeiten auswirken. Im Anlagegeschäft der Banken besteht viel Erklärungsbedarf, weil Anleger durch den Zinsanstieg in der Regel zunächst ansehnliche Verluste nicht nur bei Aktien, sondern auch bei vermeintlich sicheren Obligationen erlitten haben. In der Gastwirtschaft sind aufgrund der steigenden Kosten die Margen unter Druck geraten, da nur ein Teil der Kosten durch Preiserhöhungen an die Gäste weitergegeben werden könne. Jedoch ist die Situation in der Schweiz im Vergleich zum umliegenden Ausland besser, da dort die Kostenerhöhungen wesentlich höher sind. Nach Züllig ist eine leichte Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber einer hohen Inflation mit grossen Kostensprüngen vorzuziehen. Jedoch bereitet der Hotellerie Sorgen, dass aufgrund der gesunkenen Margen und der steigenden Zinsen die Tragbarkeit von Investitionen abnimmt. Das könnte die notwendige Erneuerung der Branche verlangsamen.
