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Projekt
Optimierung der Coanda-Rechen für Schweizer Gewässer
Projekt auf einen Blick

Projekt auf einen Blick

Wie funktioniert der Coanda-Effekt? Wenn Hochdruckwasserkraftwerke in den Alpen Wasser aus Flüssen entnehmen, kommen heute in der Regel Fallrechen (auch: Tiroler-Wehre) zum Einsatz: Das ist ein Stahlrost, dessen Stäbe 3 bis 10 cm Abstand haben und üblicherweise in Flussrichtung verlaufen. Tiroler-Wehre halten Steine und Geröll (> 6,3 cm Durchmesser) zurück, nicht aber Kies (2 mm – 6,3 cm Durchmesser) und Sand (< 2 mm Durchmesser). Auch Treibgut wie Äste und Blätter werden durch ein Tiroler-Wehr mitunter nicht zurückgehalten.

Viel höher ist die Reinigungswirkung eines Coanda-Rechens, denn hier ist der Stababstand bis zu 100 Mal kleiner als beim Tiroler-Wehr (0,2 – 3 mm). Die Stäbe verlaufen quer zur Strömung, und bilden eine abfallende Krümmung. Diese Krümmung ist so gewählt, dass sich das darüber fliessende Wasser daran anhaftet. Von jedem Stab wird eine dünne Wasserschicht abgeschert (wie die Klingen eines Mehrklingenrasierers). Das Anhaften des Wassers ist dem Coanda- Effekt zuzuschreiben, der auf den rumänischen Physiker Henri Marie Coanda (1886 - 1972) zurückgeht. Coanda-Rechen sind für Mittel- und Hochdruckkraftwerke geeignet, nicht aber für Niederdruckkraftwerke (Fallhöhe des Wassers weniger als 15 m). Der Coanda-Rechen bringt nämlich je nach Typ einen Fallhöhenverlust von 0,7 bis 2,2m mit sich – daher wäre sein Einsatz hier unwirtschaftlich.

Von 2015 bis 2017 wurden die bestehenden Anlagen der Schweiz im Rahmen des ersten Coanda-Projektes analysiert. In einem ersten Feldversuch wurde ein Richtwert für die Abweisungsgrade ermittelt. Seit 2017 wird im Rahmen der Projektfortsetzung im Wasserbaulabor die Sedimentabweisung genauer untersucht und es werden Optimierungsmöglichkeiten an den Rechen erforscht.

Ausgangslage

Ausgangslage

Um Beschädigungen an Turbinen möglichst gering zu halten, wird das Wasser vor der Verwendung in Wasserkraftwerken von Geröll, Kies und Sand befreit. Hierzu werden in jüngerer Zeit auch sogenannte Coanda-Rechen eingesetzt. Diese stellten eine gute Alternative zu herkömmlichen Fallrechen (Tiroler-Wehren) mit Sandfang dar, wie das Forschungsteam des IBAR festgestellt hat. Allerdings lösen die Rechen die Versprechen der Hersteller nicht in allen Punkten ein.

In Hochdruckwasserkraftwerken erreicht das Wasser eine hohe Geschwindigkeit, bevor es mit Wucht auf die Schaufeln der Turbinenräder trifft. In dieser Situation führen Fremdkörper im Wasser zu Schäden an den Turbinen. Selbst Sandkörner entwickeln unter hohem Druck eine Kraft, mit der sie an Turbinenschaufeln bleibende Spuren hinterlassen.

Vor diesem Hintergrund versteht es sich von selbst, dass die Betreiber von Wasserkraftwerken alles daran setzen, das Wasser an den Fassungen gründlich von Kies und Sand zu reinigen. Stammt das Wasser aus Stauseen, gelingt dies relativ einfach, da sich Fremdkörper im See absetzen und die Wasserfassung gar nicht erst erreichen. Ungünstiger ist die Ausgangslage, wenn das Wasser direkt aus einem Fluss entnommen wird. In diesem Fall wird das Wasser in einem ersten Schritt durch einen Fallrechen von Gestein und Geröll gereinigt. Das grob gereinigte Wasser strömt anschliessend in ein Absetzbecken, das als Sandfang bezeichnet wird. Hier setzen sich Kies und Sand ab, bevor das Wasser durch den Druckstollen bzw. das Druckrohr auf die Turbinen zuströmt.

Prinzipskizze eines Coanda-Rechens
Projektziel

Projektziel

Coanda-Rechen erfreuen sich in Österreich und in Südtirol unterdessen grosser Beliebtheit. In der Schweiz werden sie dagegen eher zögerlich eingesetzt, weil manche Wasserbauverantwortliche der noch relativ jungen Anlage nicht recht trauen (Furcht vor Verstopfung durch Sand und Eis; Angst vor schnellem Verschleiss). Das IBAR-Forschungsteam um Prof. Dr. Imad Lifa hat sich das Ziel gesetzt, wissenschaftlich tragfähige Grundlagen rund um den Coanda-Rechen zu erarbeiten und bereitzustellen.

Umsetzung

Umsetzung

In den letzten zwei Jahren führten die Forschenden eine Studie durch, die vom Bundesamt für Energie finanziell unterstützt wurde. Darin wertetensie die Erfahrungen von 22 Anlagen mit Coanda-Rechen in der Schweiz, in Österreich (Vorarlberg, Tirol), Deutschland (Bayern) und Italien (Südtirol) aus. Teil der Studie waren zwei Feldversuche am Mühlbach in Oberschan (SG) und an der Samina in Frastanz (Vorarlberg). Beide Feldversuche dienten zur Klärung der Frage, in welchem Mass Coanda-Rechen Sand und Steine unterschiedlicher Grösse aus dem Wasser entfernen. Im ersten Fall geschah dies mittels Siebanalyse, im zweiten Fall – während eines Hochwassers – mittels Laserdiffraktometrie.

Resultate

Resultate

Fallrechen sind durchlässig für Sand, Kies und selbst für kleinere Steine, denn der Stababstand beträgt typischerweise 3 bis 10 cm. Somit stellte sich die Frage, ob sich das Flusswasser durch einen feineren Rechen so effizient reinigen liesse, dass auch Kies und Sand entfernt würden und auf den zweiten Reinigungsschritt – das Absetzbecken – verzichtet werden könnte. Genau dieses Zielverfolgt der Coanda-Rechen, denn sein Stababstand beträgt nur 0,2 bis 3 mm, womit auch kleinste Partikel aus dem Wasser entfernt werden.

Auf der Basis der durchgeführten Untersuchungen zieht Prof. Dr. Imad Lifa grundsätzlich eine positive Bilanz: «Coanda-Rechen entfernen Feinstoffe effizient genug aus dem Wasser, so dass man bestenfalls auf den Bau eines Absetzbeckens verzichten kann.» Coanda-Rechen seien überdies günstiger und schneller gebaut, verlangten weniger Wartung und würden sich für Orte empfehlen, an denen kein Platz für ein Absetzbecken sei. Allerdings sei der Abweisungsgrad von Sandkörnern weniger hoch als von den Rechen-Herstellern angegeben. Die Hersteller versprechen nämlich, dass die Rechen nicht nur Feststoffe zurückhalten, die grösser sind als der Stababstand, sondern auch einen erheblichen Teil der kleineren Feststoffe. So heisst es zum Beispiel, dass ein Coanda-Rechen mit einem Stababstand von 1 mm auch bei Sandkörnern von 0,5 bis 1 mm Grösse noch 90 Prozent davon zurückhalte. Bei den Feldversuchen der FH Graubünden-Forschenden betrug der Abweisungsgrad aber lediglich 43 bzw. 60 Prozent in Abhängigkeit von der beim Test eingesetzten Kornmischung.

Coanda-Rechen haben gegenüber herkömmlichen Fallrechen zusätzliche Besonderheiten. So ist der Rechen selbstreinigend, Geschiebe und Sand werden einfach weitergeleitet, während ein herkömmlicher Sandfang in regelmässigen Abständen entleert und gespült werden muss. Das System ist insofern fischfreundlich, als der Fischabstieg (nicht aber der Fischaufstieg) über den Coanda-Rechen möglich ist. Hierzu ist aber zu beachten, dass die betroffenen Bäche und Flüsse teilweise keinen Fischbestand aufweisen. Die Betriebskosten sind gering, allerdings unterliegen Coanda-Rechen einem recht hohen Verschleiss; eine entsprechende Wirtschaftlichkeitsrechnung hat das Forschungsteam nicht vorgenommen. Bei der Schluckfähigkeit ist der Coanda-Rechen (50 bis 250 l/s pro Meter Rechenbreite) dem Tiroler-Wehr (bis zu 2'000 l/s pro Meter) deutlich unterlegen. Coanda-Rechen können derzeit mit den praktisch realisierbaren Baubreiten maximal 4 m3/s bewältigen. Bei der Schluckfähigkeit habe der Coanda-Rechnen «vermutlich noch ein beträchtliches technologisches Entwicklungspotenzial», schreiben die FH Graubünden-Forschenden in ihrem Abschlussbericht. Um neue Anstösse zu liefern, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Lifa ihre Forschung rund um den Coanda-Rechen in einem Folgeprojekt fortsetzen. Herzstück des neuen Vorhabens wäre ein Versuchsstand, mit dem unter anderem die Frage geklärt werden könnte, ob Coanda-Rechen tatsächlich weniger stark vereisen als herkömmliche Fallrechen, wie das gelegentlich vermutet wird. Auch soll die Geometrie der Rechen (z.B. Spaltweiten, Höhen) erforscht werden, um eine Optimierung bei der Herstellung und Nutzung der Rechen zu erzielen.

Team

Team

Wissenschaftliche Projektleiterin

Folgender ehemaliger Mitarbeiter der FH Graubünden hat an diesem Projekt mitgewirkt:

  • Sascha Dosch

Beteiligte

Das Projekt wurde vom Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR) im Auftrag des Bundesamts für Energie umgesetzt.