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Projekt
Solarfassaden im alpinen Raum
Projekt auf einen Blick

Projekt auf einen Blick

Während Photovoltaikanlagen auf Dächern inzwischen weit verbreitet sind und bei Neubauten Photovoltaik sowohl auf Dächern als auch an den Fassaden eingesetzt wird, gibt es bis heute nur einen geringen Anteil an Beispielen von integrierter Photovoltaik in der Gebäudefassade bei bestehenden Gebäuden. Insbesondere bei Bauwerken, die nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden, fehlt bis anhin eine kreative Methodik.

In einem Forschungsprojekt der Fachhoch­schule Graubünden wird die Umsetzung von Solarfassaden an der bestehenden Bau­substanz überprüft und gestalterisch wei­terentwickelt. Anhand von Projektarbeiten an konkreten Beispielen entwickelten die Architekturstudierenden im Herbstsemester 2021 mögliche Strategien, wie mit Solarfas­saden bei einer Sanierung in der Gemeinde Davos umgegangen werden könnte. Die Projekte beschäftigen sich vor allem mit der noch nicht thermisch sanierten Bau­substanz nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ausgangslage und Zielsetzung

Ausgangslage und Zielsetzung

Die Nutzung von Solarenergie wird auf­grund der Ressourcenknappheit und der Klimaerwärmung immer wichti­ger. Auch Gemeinden sind immer mehr im Zugzwang. Die Schweizer Regierung hat mit der Energiestrategie 2050 beschlos­sen, die Förderung von Elektrizität aus Photovoltaikanlagen zu verstärken. 22 Pro­zent des Strombedarfs werden wohl bis 2050 aus Photovoltaikanlagen gewonnen werden. Damit ist Photovoltaik ein wesent­licher Grundpfeiler des AKW-Ersatzes. Im Zusammenspiel mit Speichermöglichkei­ten wie Batterien, Wasserstoff oder Me­thanol lässt sich mit der Photovoltaik eine autarke Strom- beziehungsweise Energie­versorgung erzielen. Im Jahr 2020 lag der Anteil an Solarenergie gemessen am ge­samten in der Schweiz verbrauchten Strom lediglich bei 4.66 Prozent.

Das schweizerische Bundesamt für Kultur (BAK) hat 2018 die europäisch abgestützte Initiative zur Förderung der Baukultur indiziert und Qualität im Bauen eingefordert. Sie sucht auch aufgrund der zukünftigen Her­ausforderungen, «die kulturellen Aspekte des Bewahrens, Planens und Bauens anzu­erkennen und eine hohe Baukultur als vor­rangiges politisches Ziel» zu etablieren. Die Erklärung von Davos versteht sich nicht als bewahrendes Instrument, sondern als eines, durch das sich die Architektur und die Ge­sellschaft stetig weiterentwickeln und verän­dern können. Gerade in der Schweiz, mit ihrer vielfältigen und lebhaft hohen Baukul­turen und den vielen Besonderheiten in den Gemeinden, ist ein sorgfältige Planung es­senziell. Die Gemeinden sind heute im Zug­zwang, Photovoltaikanlagen in jedem Fall zu genehmigen. Die hohen Energiepreise ha­ben diesen Druck weiter erhöht.

Gemeinden sind oft überfordert mit den Bewilligungen für Solaranlagen. Sie sind bestrebt, Solarenergie zu fördern, doch fehlen ihnen oft die Werkzeuge, um qua­litative Entscheide zu treffen. Für die Ge­meinde Davos wird von der Fachhoch­schule Graubünden derzeit ein Leitfaden entwickelt, wie sie mit Gesuchen für Pho­tovoltaikfassaden umgehen soll. Die FHGR unterstützt auch andere Gemeinden bei der Entwicklung von spezifischen Leitfä­den analog zu demjenigen für Davos.

Baukultur und Solarenergie sind keine Kon­trahenten. Es liegt an den Planern, nicht nur technische, sondern auch baukulturell sinn­volle Lösungen zu erarbeiten.

Technisch sind die eingesetzten Produkte ausgereift und die Lösungen marktfähig. Überzeugende architektonische Resultate sind für Neubauten vorhanden. Die wenigen existierenden Beispiele von Solarfassaden bei Umbauten und Sanierungen wurden aufgrund von schlechter Gestaltung oft negativ aufgenommen. Erst recht, wenn der ursprüngliche Bau architektonische Qualitäten aufweist, sich die Bauten in his­torischem Kontext befinden oder das Dorf­bild durch das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz ISOS-geschützt ist. Daher existieren von verschiedenen Seiten berechtigte ästhetische, aber auch funktio­nale Vorbehalte gegenüber Sanierungslö­sungen mit Solarfassaden. Gerade im alpi­nen Raum sind viele historische Dorfzentren durch das ISOS geschützt und die grosse Anzahl von schützenswerten historischen Bauwerken sollen ihren gesellschaftlichen und architektonischen Wert nicht verlieren.

Die Anwendung von Photovoltaik ist bei kleinen Einzelbauten und ihren jeweils spe­zifischen Lösungen eher teuer. Bei einer ganzen Siedlung oder grossen Dachflä­chen wird die Installation effektiver, da Lö­sungen wiederholt werden können und eine grössere Gesamtfläche installiert wer­den kann. Hier kann mit einem einheitli­chen System agiert werden, was auch fi­nanziell Sinn macht. In der Schweiz würde es genügen, wenn circa 40 Prozent der verfügbaren Dachflächen mit Solarpanelen belegt werden, um den zusätzlich benöti­gen Strom zu produzieren.

Umsetzung

Umsetzung

Ein riesiges Potenzial besteht bei der be­stehenden Bausubstanz, die rund um die historischen Kerne entstanden ist, also meist in der Agglomeration steht. Hier besteht der grösste Spielraum bei einer Sanierung mit Solarfassaden. Zentral ist aber, dass die ur­sprüngliche Idee eines Baus nicht vollends durch den Einsatz der neuen Technik verloren geht, sondern weiterentwickelt wird und dadurch der Bau insgesamt an Kraft und Ausdruck gewinnt. Eine Solaranlage muss heute nicht einfach eine schwarze Flä­che sein. Da ist viel mehr möglich.

Im historischen Kontext und im Bereich des ISOS kann nur mit sehr viel Fingerspitzen­gefühl agiert werden. Der mögliche Verlust an bestehenden architektonischen Quali­täten darf nicht unterschätzt werden. Diese Gebäude bestehen oft seit Jahrhunderten und haben allein schon durch ihr langes Bestehen eine sehr positive Energiebilanz.

Der Einsatz von Photovoltaik verändert be­stehende Gebäude. Gebäude, die eine hohe baukulturelle Bedeutung haben, kön­nen je nach Situation weiterentwickelt wer­den, doch gibt es auch Grenzen, wenn ein hochwertiger Bau in seinem bestehenden kulturellen Wert Schaden nimmt. Bauten müssen nach einem Eingriff nicht nur tech­nisch, sondern auch in ihrer baukulturellen Bedeutung stärker sein als vorher. Es gibt Bauwerke, aber auch ganze Dorfzentren, die beispielsweise unter dem Schutz des ISOS stehen und bei denen es keinen Sinn macht, Photovoltaik forciert einzusetzen. Es existieren auch andernorts Flächen, aber auch andere Energieformen, die zur Energiegewinnung genutzt werden können.

Die «Speckgürtel» rund um die dörflichen, aber auch städtischen Zentren sind oft nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und nicht unbedingt von allzu hoher bau­kultureller Qualität geprägt. Gerade hier gibt es viel Potenzial für die innovative An­wendung von Photovoltaik. An allen von den Architekturstudierenden der FHGR bearbeiten Bauten in Davos war die Inte­gration durchaus möglich, doch konnte Photovoltaik nicht einfach montiert wer­den, sondern der Bau musste neu gedacht und interpretiert werden. Eine Sanierung einer Fassade kann so dazu führen, dass die Chance ergriffen wird, den Bau auch in seinen Grundrissen auf den heutigen Stand zu bringen.

Neue Anwendungsmöglichkeiten von Pho­tovoltaik eröffnen den Planern neue ge­stalterische Möglichkeiten, die es auch zu nutzen gilt. So plant die Studentin Nadja Schürmann eine Solarfassade am Hotel Waldhaus Davos aus beweglichen, ver­schiedenfarbigen Paravent-Elementen, um Schatten zu spenden.

Resultate

Resultate

Die Studentin Norma Müller kleidete den von Gigon Guyer errichteten Werkhof der Gemeinde Davos ganz in eine Photovoltaik­fassade ein. Dieser Wechsel von einem Holzbau zu einem technischen Bauwerk ist sicherlich schlüssig und sinnvoll. Schwieriger wird es bei prägnanten Bauwerken. Neu­interpretationen sind hier nur möglich, wenn ein Bau vollkommen neu gedacht wird. Die Bahntrasse der Parsennbahn wird von den Studierenden Daniel Gander und Jan Feldmann mit Photovoltaik umhüllt. Wenn die Bahn durch den Tunnel fährt, öffnet sich die Photovoltaik dort, wo sich der Zug befindet, um Aussicht zu gewähren. Eine solche Neuinterpretation verändert ei­nen Bau stark. Bei baulichen Leuchttürmen ist eine Neuinterpretation der baukulturell hochwertigen Bauten eher schwierig, ohne auch einen grossen Verlust zu erzeugen.

Generell ist es wichtig nicht auf eine einzige Massnahme zu setzen, sondern ein integra­les Konzept zu entwickeln, das Nachhaltig­keit mehrschichtig und aus verschiedenen Blickwinkeln (Architektur, Nutzung, Technik, Ort) behandelt. Nur so können für spezifische Situationen auch individuelle Lösungen ent­wickelt werden. Und diese Lösungen sind nie rein technischer Natur und müssen den spezifischen Situationen angepasst werden.

Neue Fassade für das Haus Seewiesen, Bahnhofstrasse 10, Davos Dorf. Studentin: Adriana Margreth, FHGR.
Der Leuchtturm Parsennbahn wird mit Photovoltaik umhüllt. Wenn die Bahn durch den Tunnel fährt, öffnet sich die Photovoltaik dort, wo sich der Zug befindet, um Aussicht zu gewähren. Studierende: Daniel Gander und Jan Feldmann, FHGR.
Solarfassade am Hotel Waldhaus Davos aus beweglichen Paraventelementen, um Schatten zu spenden. Studentin: Nadia Schürmann, FHGR.
Waldhotel Davos - Visualisierung Südfassade
Waldhotel Davos - Variante mit grösseren Schiebeläden

Projektleitung:

  • Prof. Christian Auer, FHGR
  • Prof. Daniel A. Walser, FHGR
  • Maria Rota, FHGR
  • Dozent Norbert Mathis
  • Noëlle Bottoni, Assistenz
  • Madlaina Sutter, Architektin Davos
  • Jürg Grassel, Architekt Davos
  • Cornelia Deragisch, Gemeinde Davos Hochbauamt
Weiterführende Informationen

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