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Projekt
Stallbauten entwerfen
Projekt auf einen Blick

Projekt auf einen Blick

Die untersuchten landwirtschaftlichen Betriebe befinden sich in den Kantonen Graubünden und Glarus und haben unterschiedliche Anforderungen. Bei allen stellt sich die Frage nach der Verträglichkeit mit dem Ortsbild und den funktionalen Anforderungen an die Betriebe.

Umsetzung und Resultate

Umsetzung und Resultate

In der Modulgruppe «Entwurf» und im Modul «Konstruktives Entwerfen 4 – Holzbau» wurden an vier verschiedenen Standorten exemplarische Untersuchungen durchgeführt, wie mit Stallbauten im alpinen Raum baulich umgegangen werden kann. Dozent Robert Mair entwickelte hierfür an den drei Standorten Elm, Tschiertschen und Curaglia in einem ersten Schritt mögliche Lösungsansätze für Neubauten und für die Erweiterung von bestehenden Anlagen. In einem weiteren Schritt soll das Projekt auch für andere Standorte Lösungsansätze aufzeigen.

Gute Ställe braucht das Land

Wirtschaftliche Faktoren und der technische Wandel fordern von den Bauernfamilien immer grössere Höfe. Auch Zulieferer benötigen freie Zufahrtswege für ihre Lastwagen, was in kleinräumigen Dörfern meistens nicht gewährleistet ist. Dies hat seit Ende der 1990er-Jahre zu einem Bauboom geführt: An den Siedlungsrändern der Dörfer entstehen Höfe mit einem grossen Stallvolumen. Mittlerweile hat sich ein regelrechter «Belagerungsring» von grossvolumigen Ställen und Höfen um die Dörfer gelegt.

Der grosse Schub hinter dieser Entwicklung ist inzwischen vorüber. Mittlerweile stehen Erweiterungen der bestehenden Bauten im Vordergrund – bedingt durch Generationswechsel, Anpassung der Gebäudeflächen an neue gesetzliche Tierschutzvorschriften oder die Möglichkeit, weitere Landwirtschaftsflächen zu übernehmen. Für die meist jungen Bäuerinnen und Bauern ist dies immer ein grosser Schritt. Zudem kosten solche Bauten in Graubünden (gerechnet pro Stück Vieh) durchschnittlich rund die Hälfte mehr als im Mittelland.

Stallbauten sind heute mehrheitlich funktional durchgeplante Industriehallen für die Tierhaltung und die Lagerung von Heu und anderem Futter. Die meisten Bauten werden von Systemanbietern geplant und errichtet. Dies sind vielfach Zimmereien und Schreinereien, die ihr eigenes Bausystem anwenden, oder Anbieter von Stallausrüstungen, die zur Ausstattung auch gleich die Stallhülle mitliefern. Der Preisdruck auf Stallbauten ist dadurch enorm.

Nur wenige Architekturbüros beschäftigen sich regelmässig mit Stallbauten. Sobald es aber um einen Stall geht, wo Neues ausprobiert und nach anderen Lösungen gesucht wird, sind Architekturschaffende mit im Boot. Als der Freilaufstall aufkam und die biologische Produktion nach neuartigen Lösungen verlangte, waren Architektinnen und Architekten gefragte Partner für die Entwicklung entsprechender Lösungen. In den letzten Jahren sind so in Graubünden interessante Projekte entstanden: «Vorzeigebauernhöfe» wie der Klosterstall Salaplauna (2010) in Disentis von Gion A. Caminada oder der Stall des Bildungszentrums Palottis in Schiers (2016) von Nik Hartmann.

Die neuen Ställe sprengen oft den dörflichen Massstab. Gerade die zeitgemässen Auslaufställe sind viel grösser und mächtiger als beispielsweise Ställe mit traditioneller Anbindehaltung. Kopfzerbrechen bereiten Normställe oft, sobald sie geschützte Dorfbilder tangieren oder wenn sich ihr Bauplatz in einer empfindlichen Landschaft oder ausserhalb der Bauzone befindet, was immer wieder zu Planungsleerläufen führt. Hier fehlen das architektonische Feingefühl und die Fähigkeit, die Chancen des Ortes und die Hanglage des Geländes produktiv für den Bau zu nutzen.

Im Frühlingssemester 2021 setzten sich die Studierenden der Fachhochschule Graubünden im Fach Holzbau mit dem Bau von Ställen auseinander. Dabei standen ihnen mehrere Standorte und funktionale Vorgaben für ein realitätsbezogenes Projekt zur Auswahl: ein kompletter Neubau und zwei Erweiterungen von bestehenden Anlagen.

Die Erkenntnisse aus den Studienarbeiten sind verblüffend. Gerade die heutigen modernen Freilaufställe lassen es zu, ihr Volumen funktional aufzuteilen und geschickt in die Landschaft zu integrieren. Auch die funktionale Integration der bestehenden Bausubstanz in den Neubaukomplex hilft, die Kosten klein zu halten. Intelligentes Bauen muss nicht zwingend teuer sein – es braucht Sachverstand, ein Sich-Einlassen auf den Ort sowie die Bereitschaft der Planerinnen und Planer, die Chancen des spezifischen Bauplatzes auch wirklich zu nutzen.

Bauen ist keine private Angelegenheit eines einzelnen Bauherrn. Bauen ist immer auch ein Beitrag an die Gesellschaft. Den verschiedenen Ansprüchen ist gerade auch an exponierten Lagen zunehmend Rechnung zu tragen. Gute Projekte sind das Resultat eines dynamischen Aushandlungsprozesses, bei dem alle Beteiligten (Landwirtschaft, Gesellschaft, Tierhaltung, Landschaft und Dorfbild) ihren Beitrag für eine vielfältig genutzte Landschaft leisten. Gerade in einer komplexen Topografie bietet die Architektur vielversprechende Möglichkeiten, nicht nur die zentralen funktionalen Fragen zu klären, sondern auch einen gesellschaftlichen Mehrwert zu schaffen.

 

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