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Projekt
Umgang mit dem ISOS in der Stadt Winterthur
Projekt auf einen Blick

Projekt auf einen Blick

Die Entwicklung von Städten und Siedlungen wird durch zwei gegenläufige nationale Interessen geprägt, die beide in der Verfassung verankert sind. Das IBAR entwickelt eine Methode für Winterthur, um in diesem Spannungsfeld umsetzbare Lösungen zu finden.

«Die bauliche Innenentwicklung in Dörfern und Städten ist allgegenwärtig. Soll die Identität der Stadt erkennbar, die Stadtgeschichte ablesbar bleiben, muss geklärt werden, wo Veränderungen stattfinden können und wo auch die nächsten Generationen noch ein Anrecht auf gebaute Geschichte haben.»
Prof. Sandra Bühler-Krebs, Dozentin am Institut für Bauen im alpinen Raum (IBAR)
Ausgangslage

Ausgangslage

In regelmässigen Abständen hört man von kontroversen Bundesgerichtsentscheiden im Zusammenhang mit dem ISOS, dem Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz. Den Hintergrund der Streitfälle bilden zwei gegenläufige nationale Interessen, die beide in der Verfassung verankert sind. Auf der einen Seite besteht der Auftrag, Ortsbilder mit nationaler Bedeutung zu wahren und zu erhalten, auf der anderen Seite die Verpflichtung zu einer baulichen Entwicklung nach innen. Auslöser für einen Konflikt ist häufig die Jahrzehnte betragende zeitliche Verschiebung der Sachverhalte: Bei der Konzeption früherer Planungsinstrumente wurde der späteren Innenentwicklung oft noch gar nicht Rechnung getragen.

Projektziel

Projektziel

Es ist ein Merkmal des IBAR-Fachbereichs Siedlungsplanung und Ortsbildentwicklung, dass nicht einzelne, zeitlich begrenzte und voneinander unabhängige Forschungsprojekte bearbeitet werden, sondern dass es – analog zu den oft jahrelangen Bauprozessen in der Baupraxis – eine kontinuierliche thematische Auseinandersetzung mit dem Bauen im bebauten Kontext (unter anderem in ISOS-Bereichen) ist, welche die Forschung auszeichnet. Erst diese über Jahre erfolgte Entwicklungsarbeit führt zu Arbeitsinstrumenten und Projektresultaten, die Neuland erschliessen und wegweisend sind. Dies geschieht auch im Fall der ISOS-Thematik: Die anhand verschiedener Fallbeispiele entwickelte Methodik einer «Ortsbaulichen Interessensabwägung» findet schweizweit Beachtung. Es ist der Lohn vieler Jahre Forschungs- und Entwicklungsarbeit, wenn heute grosse Städte wie Zug, Winterthur, Glarus, Uster oder Wädenswil mit ihren spezifischen ISOS-Fragestellungen an unser Forschungsfeld Siedungsplanung und Ortbildgestaltung gelangen. Anhand des Beispiels der Stadt Winterthur wird nachfolgend aufgezeigt, wie verantwortliche Behörden die Problematik erkannt haben und mit Unterstützung des IBAR präventiv langwierigen Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen versuchen.

Umsetzung

Umsetzung

Winterthur ist die sechstgrösste Stadt der Schweiz. Sie liegt eingebettet inmitten waldreicher Hügel und zeichnet sich durch einen spannungsvollen Kontrast zwischen der Altstadt und einem Grünring mit pompösen Einzelbauten, urbanen Industrieanlagen und locker bebauten Wohnquartieren aus – das «Gartenstadt-Ideal» wurde damit auf eine schweizweit einzigartige Weise verwirklicht. Die ISOS-Einstufung als «national bedeutend» ist auf diese ortsbaulichen Qualitäten zurückzuführen. Allerdings steht das Gartenstadt-Image heute stark in Konflikt mit den Vorgaben der inneren Verdichtung – für zahlreiche Stadtgebiete braucht es eine Abwägung zwischen Wahrung und (Weiter-)Entwicklung. So gelangte die Stadt Winterthur an das IBAR und erteilte einen Auftrag zur Entwicklung einer entsprechenden Methodik. Das Projekt wurde 2022 begonnen und dürfte noch einige Monate in Anspruch nehmen. Das spezifische Problem in Winterthur ist die Definition von «Substanzerhalt» (im ISOS mit «A, a» bezeichnet). Ein solcher Substanzerhalt wäre durch eine Unterschutzstellung gewährleistet. Nun hat Winterthur vergleichsweise wenige Bauten, die unter Denkmalschutz stehen, und der Schutz ganzer Siedlungen und Quartiere erweist sich in der Praxis als wenig sinnvoll. Somit galt es zu klären, welche der vorhandenen raumplanerischen Instrumente zum Ortsbildschutz des Kantons Zürich (Inventarisierung, Kernzonenreglement, Sonderbauvorschriften u. a. m.) die Gestaltung zu lenken und die Zielvorgaben des ISOS umzusetzen vermögen, ohne strikte Unterschutzstellungen zu erfordern. Dies bildete die Grundlage, um für die Ortsbilder mit dem Erhaltungsziel «A, a» spezifische Abwägungen vorzunehmen und Empfehlungen für die anstehende Revision der Nutzungsplanung zu erarbeiten. Aufgrund der Tragweite der Empfehlungen, die aus dieser Studie für die Grundeigentümer, die Behörden und die Stadtregierung resultieren, sind diese Entscheidungen aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren, was eine intensive Zusammenarbeit zwischen der FH Graubünden und den verschiedenen kommunalen Ämtern voraussetzt.

Resultate

Resultate

In der Folge wurde eine anwendungsorientierte Methode für eine ortsbauliche Interessensabwägung entwickelt, die angesichts des Umfangs ein effizientes systematisches Vorgehen ermöglicht und gleichzeitig die Ergebnisse übersichtlich und nachvollziehbar in Tabellen, Plänen und Grafiken dokumentiert. Dabei wurde (und wird) in drei Stufen vorgegangen: Zunächst wird im Rahmen einer generellen Abklärung unter Beizug von baujuristischen Fachleuten untersucht, welche raumplanerischen Instrumente die Erhaltungsziele des ISOS unterstützen. Danach erfolgt in einer ersten Abwägungsphase eine gesamtstädtische Betrachtung der ISOS-Ortsbilder. Ermittelt wird, für welche Ortsbilder aufgrund der rechtsgültigen Nutzungsplanung eine vertiefte Betrachtung vorzunehmen ist. In einer zweiten Stufe werden die herausgefilterten Ortsbilder mit Handlungsbedarf vertieft betrachtet. Die daraus resultierende Einschätzung der Qualitäten bildet zusammen mit der Abwägung bewahrender und verändernder Aspekte einerseits die Grundlage für wichtige Entscheidungen in der anstehenden Ortsplanrevision der Stadt und andererseits die Grundlage bei Streitfällen, die sonst oftmals leider erst vor dem Bundesgericht entschieden werden.

Weiterführende Information

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