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Die Frau mit Kopftuch und der Mann als «Mädchen für alles»
Die Frau mit Kopftuch und der Mann als «Mädchen für Alles»

Die Frau mit Kopftuch und der Mann als «Mädchen für Alles»

Behija Hadzic sorgt an der Ringstrasse 34 für sauber geputzte Räume der FH Graubünden, während Rinaldo Albertin, einer von fünf Hauswarten, den Unterhalt der Liegenschaft an der Comercialstrasse 22 plant, organisiert und leitet. Ein Blick hinter die Kulissen.

Text: Karin Huber / Bild: Yvonne Bollhalder

Dann, wenn Behija Hadzic um 17 Uhr im Gebäude der FH Graubünden an der Ringstrasse den Staubsauger einschaltet, geht Rinaldo Albertin in den Feierabend – sofern nichts Unvorhergesehenes passiert oder nicht gerade eine Veranstaltung läuft, an der benötigt wird. Rinaldo Albertin ist Hauswart und eigentlich auch, wie er sagt, «Mädchen für alles» an der Comercialstrasse Nr. 22. Er und Behija Hadzic kennen sich von ihrer Arbeit her. «Behija ist top», sagt er. «Sie ist gewissenhaft, pflichtbewusst, genau und nett. Sie ist ein absoluter Glückstreffer für uns.»

Dieser «Glückstreffer» arbeitet seit rund drei Jahren als Reinigungsfrau für die FH Graubünden. Sie ist verantwortlich für den dritten Stock an der Ringstrasse 34. Fünf Tage pro Woche zwischen 17 und 20.30 Uhr, manchmal auch bis 21 Uhr, sorgt sie für saubere Räume. Sie staubt ab, staubsaugt, nimmt den Boden nass auf, bringt Tische, Pulte, PCs und Telefone zum Glänzen, leert Abfallkörbe, putzt WCs. Nach ihrem Putzplan reinigt sie im monatlichen Turnus ausserdem die grossen Fenster, die Heizungskörper sowie alle Stühle und Tische. Behija Hadzic entgeht nicht viel. Ihre Augen sind geschult, entdecken jedes Staubkorn, jeden Fleck, jeden Kaugummi, der vielleicht irgendwo klebt.

Alle schätzen Behijas Arbeit


Behija trägt ein Kopftuch. Nicht, um ihr dunkles Haar beim Putzen zu schützen, sondern weil sie Muslimin ist. «Ich bin die Frau mit Kopftuch», sagt sie zwar lächelnd, aber mit leisem Unterton. Denn ihr Kopftuch ist für manche immer noch «Stein des Anstosses» respektive der Grund, weshalb sie trotz Dutzenden von Bewerbungen in Chur lange keine Stelle fand. Die Wende zum Guten brachte erst ihre Anstellung als Reinigungsfrau bei der FH Graubünden. «Hier fühle ich mich wie in einer Familie. Alle sind nett, gut, aufmerksam und schätzen meine Arbeit».

Diese «Frau mit Kopftuch» hat nach der Hauptschule in Bosnien zuerst die Mittelschule und dann zwei Jahre die Hochschule in Amman besucht. Ein Studium also? Ein Studium sei vielleicht etwas hochgegriffen, sagt sie.

Wurzeln geschlagen

Behija Hadzic ist mit ihrer Familie während des Bosnienkrieges 1992 zuerst nach Kroatien und dann nach Jordanien geflüchtet. In Jordanien hat sie einen Landsmann aus Bosnien geheiratet. Mit zwei Kindern (18, 16) ist das Paar vor 14 Jahren in die Schweiz gekommen. Vor sieben Jahren ist in Chur ihr drittes Kind zur Welt gekommen. Heute wirkt Behijas Mann im Imam Zentrum in Chur als Imam und unterrichtet dort auch arabisch. «Das Zentrum steht nicht nur für Muslime offen, sondern für alle, egal welcher Konfession», merkt sie an. Sehr gute Kontakte würden sie etwa auch mit der reformierten Kirche pflegen.

Das mit der Arbeit, das sei wirklich schwierig gewesen, wiederholt sie. Aber sonst seien sie sehr freundlich und sehr herzlich aufgenommen worden. Zwischenzeitlich hat die Familie in Chur Wurzeln geschlagen. «Ausserdem bin ich jetzt Schweizerin», lächelt Behija Hadzic glücklich.

 

«Ich bin selbständig und entscheide selbst, was zu tun ist.»

Behija Hadic, Reinigungsfrau

Dass sie heute trotz ihrer guten Ausbildung «nur» als FH Graubünden-Reinigungsfrau arbeiten kann, findet sie völlig in Ordnung. «Alles ist perfekt für mich. Ich bin selbständig und entscheide selbst, was zu tun ist». Das bestätigt auch Rinaldo Albertin. «Wir kontrollieren ihre Arbeit und die ihrer Kolleginnen nur punktuell, oder dann, wenn FH Graubünden-Mitarbeitende etwas bemängeln, was selten vorkommt». Beide, Hadzic und Albertin, pflegen gute Kontakte zu den Dozierenden, Professoren und Professorinnen, zu den Wissenschaftlichen Mitarbeitenden und Studierenden. «Der Umgang hier ist kollegial und wertschätzend».

Für die Wirtschaftsfachfrau, die heute Reinigungsfachfrau ist, hat putzen etwas Meditatives. «Die Gedanken fliessen, man kann sie kommen und gehen lassen. Putzen ist für mich jedoch auch Fitness. Ich putze wirklich gerne.» Behija Hadzic strahlt, steht auf, zieht die Jacke an, nimmt die Handtasche und geht in Richtung Ringstrasse. Denn trotz Interview sollen sich ja morgen die Mitarbeitenden und Studierenden der FH Graubünden wieder in sauberen Räumen wohlfühlen können.

Unmögliches wird möglich

«Wir sind fünf Hauswarte, die für die FH Graubünden an den fünf Standorten arbeiten. Mein Wirkungsfeld ist das FH Graubünden-Gebäude an der Comercialstrasse 22. Wir machen Unmögliches fast immer möglich, ganz ähnlich, wie das auch ein Hotel-Concierge macht.»

«Das Wort ‹unmöglich› gibt es für uns nicht.»

Rinaldo Albertin, Hauswart

Zudem kennt Rinaldo Albertin jede Person, die hier ein- und ausgeht. Und er kennt vor allem auch «sein» Gebäude wie seine Hosentasche, jeden Lichtschalter, jede Steckdose, jede Leitung, sämtliche sanitären, heizungstechnischen und elektrischen Einrichtungen, kennt vor allem auch die Schwachpunkte des Gebäudes zwischen Dach und Tiefgarage. Das Services-Team, das unter der Leitung von Hans-Peter Manzoni steht und neben den fünf Hauswarten auch 18 Reinigungsfrauen umfasst, ist wohl das Herzstück der gesamten Hochschule. Denn ohne sie würden die Gebäude verdrecken, würde bald nichts mehr funktionieren und arbeiten und studieren könnte dann auch niemand mehr.

Grosses Aufgabenspektrum

«Unser Wirkungsfeld ist breit, das Spektrum, innerhalb dessen wir tätig sind, ist extrem gross», findet Rinaldo Albertin. Er plant, organisiert und leitet den Unterhalt «seiner» Liegenschaft. «Wir sind ebenfalls Ansprechpartner für die Studierenden, die Dozierenden und alle anderen Mitarbeitenden.»

Sein Arbeitstag beginnt oft schon frühmorgens um 06.45 Uhr, «obwohl ich ein Morgenmuffel bin». Ein erster Rundgang, ein erster Check. Er behändigt die Post-it-Zettelchen der Reinigungsfrauen, die darauf ihre Wünsche notiert haben. Spätestens ab 8 Uhr, wenn die Dozierenden ihren Unterricht vorbereiten, läuft das Telefon heiss. Die ersten Auftragsdienste treffen ein: Der Laptop funktioniert nicht, der Beamer auch nicht, der Kopierer hat einen Papierstau, im Unterrichtszimmer gibt es einen Kurzschluss … Albertin sagt: «In solchen Situationen komme ich natürlich mit einem grossen Lächeln um die Ecke und helfe…». Für ihn gilt – egal was – die Devise: «Es ist wichtig, stets achtsam zu bleiben.»

Rinaldo Albertin überwacht, wie die anderen vier FH Graubünden-Hauswarte, die Reinigungsarbeiten, kontrolliert die Toiletten, die «auch unsere Visitenkarte sind», repariert Defekte oder sorgt für die fachspezifischen Handwerker bei grösseren Reparaturen. Hin und wieder schaut er ebenfalls rund um das Gebäude zum Rechten. Manchmal fährt er, wenn es pressiert, auch schon einmal den Rektor zum Bahnhof oder erledigt Kurierdienste. Sind Aula-Veranstaltungen angesagt, schaut er auch hier immer wieder einmal zum Rechten und übernimmt Einsätze.

Ohne improvisieren geht es nicht

Albertin verfügt über viele Kompetenzen auf allen Gebieten der Hauswartung und leistet so viele nützliche Dienste für die Menschen, die an der FH Graubünden ein und ausgehen.

Bei seiner Arbeit kommt ihm seine Erstausbildung als Sanitär-Monteur zugute. Seit 2003 ist die FH Graubünden seine Arbeitgeberin. 2004 begann er seine eidgenössische Fachausbildung als Hauswart. «Jedes Teilgebiet in dieser Ausbildung ist wie eine kleine Lehre». Später füllte er seinen Rucksack noch mit einer Hausmeister-Ausbildung, die er letztes Jahr abschliessen konnte.

«Wir improvisieren täglich, denn jeder Tag ist anders, jeder Tag bringt Unvorhergesehenes. Einmal läuft der Boiler aus, dann rinnt das Dach, ein anderes Mal steigt die Heizung aus. Ich koordiniere die Handwerker-Kontakte und ebenso die Bauabläufe, plane, wenn notwendig, auch ganze Beleuchtungen und verantworte natürlich alle Ausgaben.»

Das Lächeln ist immer da

Wirklich hektisch wird es für die Hauswarte am jährlichen Informationstag. Denn dann stellt er mit seinen Kollegen praktisch das ganze Gebäude auf den Kopf, richtet Stellwände ein, räumt Unterrichtszimmer aus und wieder ein, sorgt durch viele kleine und grosse infrastrukturelle Anpassungen für einen reibungslosen Ablauf. Stress bewältigt Rinaldo Albertin auf eigene Art – meist mit einem Lächeln, manchmal garniert mit einem spitzen Spruch.

Albertins Tage enden, wenn alles im Rahmen läuft, um 17 Uhr, oft dauern sie aber länger. Auf jeden Fall sind seine Tage ausgefüllt. Die Gebäude leben, etwas passiert immer. Auch darum findet er: «Als Hauswart an der FH Graubünden hast du den lässigsten Job der Welt».

Beitrag von

Rinaldo Albertin

Stv. Leiter Services, Zentrale Dienste