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Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen
Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen

Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen

Im August 2015 hat Philipp Kuntschik sein Master-Studium in Informationswissenschaft an der FH Graubünden abgeschlossen. Während seines Studiums arbeitete er schon als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Mit seinem Stipendium der FH Graubünden hat er sich verpflichtet, weitere zwei Jahre hier tätig zu sein.

Text: Karin Huber / Bild: Yvonne Bollhalder

Es ist Anfang Juni, Philipp Kuntschik sitzt in einem kleinen Unterrichtsraum an einem Tisch, relaxed, so als hätte er unendlich viel Zeit. Doch der Schein trügt. «Die letzten Monate vor Studiumsabschluss sind für mich extrem stressig. Ich habe sehr viel mit meiner Forschungsarbeit zu tun, sodass ich kaum Zeit finde, mich um mein Studium zu kümmern…».

Philipp Kuntschik kommt aus Süddeutschland, studierte zuerst an der Dualen Hochschule Heidenheim Informationstechnik, Vertiefung Informationsmanagement, und schloss mit dem Bachelor of Engineering ab. An der FH Graubünden begann er gleich danach mit dem Master-Studium in Informationswissenschaft. «In der ersten Zeit bin ich ständig zwischen Chur und Ulm gependelt. In Chur studierte ich, nebenher arbeitete ich bis Februar 2014 in Deutschland. Dann konnte ich am Schweizerischen Institut für Informationswissenschaft (SII) als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beginnen. Ich wollte immer ein berufsbegleitendes Studium, weshalb ich auch diesen ganzen Aufwand auf mich nahm.»

Wissenschaftliche Arbeit macht Spass

Sein Master-Studium der Informationswissenschaft dauerte von September 2013 bis diesen August. Um seine Arbeit an der FH Graubünden ist er sehr froh. Dass er hier wissenschaftlich arbeiten kann, schätzt er. «Eine Arbeit in der Privatwirtschaft oder an einer Hochschule wie der FH Graubünden, das sind Welten. Hier können wir viel innovativer agieren, auch weil man sehr viel ausprobieren kann. Es braucht nicht sofort Resultate. Das macht viel Spass».

Am höheren bürokratischen Verwaltungsaufwand, wie an einer Hochschule üblich, stört sich Philipp Kuntschik nicht. «Sobald ein Forschungsprojekt genehmigt ist und die Finanzierung steht, nimmt die Bürokratie automatisch ab».

Nach Studiumsabschluss wird er sicher noch zwei Jahre lang an der FH Graubünden bleiben. «Ich habe ein FH Graubünden-Stipendium erhalten und mich dazu verpflichtet.» Seine Forschungsschwerpunkte liegen in Web Intelligence, Data Mining, Machine Learning und Natural Language Processing.

Spannende Forschungsprojekte

Ein Projekt, an dem er gerade zusammen mit der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften arbeitet, hat er auch zum Thema einer Semesterarbeit gemacht: «Prostate Cancer E-Health Tutorial». «Für Männer, die an Prostatakrebs erkranken, stehen viele unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Doch ein Patient kann heute kaum beurteilen, welche Therapien für ihn am besten sind. In einer interdisziplinären Arbeitsgruppe von Forschenden der ZHAW und der FH Graubünden haben wir nun eine Online-Plattform für die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Patienten entwickelt. Sie wird seit Juli 2015 im Feldtest evaluiert.»

Ein weiteres Projekt, an dem Philipp Kuntschik in einem kleinen Forschungsteam von fünf bis acht Leuten mitarbeitet, ist ein KTI-Projekt. «Mit «COMET – Cross-media extraction of unified high-quality marketing data» wollen wir Partnerinnen und Partnern aus der Industrie eine Art Filter zur Verfügung stellen, welcher ihnen ermöglicht, in veröffentlichten Texten marktrelevante Daten zu finden, die die öffentliche Wahrnehmung von Produkten, deren Stärken und Schwächen sowie den Erfolg von Public Relations und Marketing-Strategien widerspiegeln. Wir entwickeln nun Technologien, um heterogene, multi-modale Daten aus unterschiedlichen Quellen zu ermitteln, zu konsolidieren, zu kombinieren und zu klassifizieren. So können handlungsrelevante Inhalte automatisch erkannt, extrahiert und nutzbar gemacht werden.»

Geht es um «seine» Forschungsarbeit, wird der so ruhig wirkende Mensch ganz lebendig. Das dritte Projekt, an dem er seit April 2014 mitarbeitet, ist das Forschungsprojekt «Radar Medienkritik», das vom Schweizerischen Nationalfonds SNF finanziert und von der ZHAW mitgetragen wird.

Philipp Kuntschik erklärt: «Das System umfasst einerseits eine Strukturanalyse medienkritischer Instanzen inklusive Medienblogs sowie sozialer Netzwerke. Anderseits geht es um eine Inhaltsanalyse veröffentlichter, medienkritischer Beiträge von unterschiedlichen medienjournalistischen Erzeugnissen. Mit dem Radar sollen also Datenquellen aus dem Internet erschlossen werden. Um vergleichen zu können, führen wir auch eine manuelle Inhaltsanalyse durch. Wir untersuchen also was die Möglichkeiten und Grenzen eines computerunterstützten Ansatzes sind. Am Beispiel von Germanwings analysierten wir Texte, die Kritisches über die Berichterstattungen in den Medien brachten. Von uns wurden 90 Dokumente aus vier Quellen untersucht, bei welchen die Verteilung nicht bekannt war. Die manuelle Inhaltsanalyse zeigte acht medienkritische Artikel auf. Zu 85 Prozent stimmte das Ergebnis der Maschine überein. Das ist vielversprechend.»

Nachdenken und Lösungen finden

«Mein Part in den Forschungsprojekten ist vor allem das Programmieren. Das kann sehr zeitintensiv sein. Dann fallen aber ebenso koordinative Arbeiten an. Ich formuliere Tests, recherchiere, was andere schon vor uns gemacht haben und nehme an Besprechungen teil. Ganz oft geht es ums reine Nachdenken. Für mich stimmt das ebenso wie die Arbeit im Team. Gut ist, dass ich selbständig agieren und eigene Problemlösungen erarbeiten kann. Aber dabei sind wir wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen und von den Pionierleistungen und Innovationen der Vergangenheit profitieren. Schliesslich dürfen wir dem vorhandenen Wissensschatz unsere eigenen Beiträge hinzufügen. Und so können wir nicht nur aktiv an Forschungen teilhaben, sondern damit gleichzeitig etwas für die Entwicklung der Menschheit tun.»