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Auf Roadshow bei den Bündner Baumeistern
Die Fachhochschule Graubünden auf Roadshow bei den Bündner Baumeistern

Die Fachhochschule Graubünden auf Roadshow bei den Bündner Baumeistern

Digitale Technologien verändern auch die Berufe im Baugewerbe. Ein interdisziplinäres Team der Fachhochschule Graubünden hat in Zusammenarbeit mit der Firma Lazzarini AG ein Instrument entwickelt, mit dem abgeschätzt werden kann, wie gut Mitarbeitende im Bauhauptgewerbe die neuen Kompetenzen bereits beherrschen und wo noch Lücken bestehen. Auf einer Roadshow hat das FHGR-Team die Baumeister darüber informiert.

Text: Peter Moser | Bilder: Lazzarini AG / FH Graubünden

Im November, wenn die Bautätigkeit aufgrund der kühleren Witterung allmählich nachlässt, treffen sich die Baufachleute in den Regionen Graubündens traditionellerweise zur Verbandsversammlung. So fanden auch im Spätherbst 2022 verschiedene Regionaltreffen mit branchenzugehörigen Männern und einigen Frauen im Golf-Restaurant in Domat/Ems, im Pradas Resort in Breil/Brigels und im Hotel Kronenhof in Pontresina statt. Claudio Alig und Peter Moser von der FH Graubünden haben gemeinsam mit Martin Lang (Projektpartner, invite technologies AG) das neue Instrument an diesen drei Verbandsversammlungen vorgestellt. Die Ergebnisse wurden im Magazin der Bündner Baumeister veröffentlicht.

Digitale Transformation in der Baubranche

Ein Trend in der Baubranche ist die vernetzte digitale Planung, Erstellung und Bewirtschaftung von Bauprojekten. Dabei werden die verschiedenen Baupartner (Architekt/innen, Bauleiter/innen, Bauunternehmen, Baubehörden etc.) miteinander verknüpft. Dieser Trend ist unter den Begriffen «Building Information Modeling (BIM)» und «digitales Bauen» bekannt.

BIM wird von zwei Akteuren angetrieben: Auf der einen Seite fordern die Bauherren (z. B. die öffentliche Hand und die Industrieunternehmen) vermehrt digitales Bauen und steuern die Auftragsvergabe dementsprechend; auf der anderen Seite treiben auch die Bauunternehmen den Trend voran, sobald sie damit einen Wettbewerbsvorteil generieren und/oder die Kosteneffizienz steigern können. Zur Umsetzung von BIM ist die Mitarbeit aller involvierten Partner notwendig. Diese gegenseitige Abhängigkeit macht die Entwicklung und Einführung von BIM derzeit noch träge.

Ein wichtiger erster Schritt ist deshalb die Verbesserung der internen Prozesse und deren Unterstützung durch digitale Instrumente. Folgende Beispiele seien an dieser Stelle genannt:

  • Interne Kommunikation mittels digitaler Plattformen (Videokonferenz, Chat, Intranet)
  • Einsatz kollaborativer Software / Gruppen-Software (Projektmanagement, Dateiablage)
  • Einsatz digitaler Baustellenrapporte, direkte Verrechnung ohne Nutzung anderer Medien
  • Zugang von überall aus: Ausstattung mit Laptops/Tablets inkl. Mobilfunk (Bauführer/innen, Poliere/Polierinnen)
Power-BI-Printscreen
Bagger mit 3D-Steuerung im Einsatz
3-D-Modell für Baumeister
Smartphone-Anbindung

Auswirkungen auf die Mitarbeitenden im Bauwesen

Das Team der FH Graubünden hat die Berufe Baupolier/in, Bauführer/in und Sekretariat im Detail untersucht. Die Tätigkeiten der Baupoliere/ und -polierinnen und Bauführer und Bauführerinnen bleiben auch im Zuge der digitalen Transformation im Grundsatz dieselben: Die Bauarbeit muss weiterhin vor Ort durchgeführt werden und auch die Führungsaufgaben bleiben bestehen. Die technologische Entwicklung beeinflusst jedoch die parallel laufenden Informationsprozesse: von der Offertstellung, Planung, Dokumentation und Koordination über das Controlling bis zur Rechnungsstellung. Neue Instrumente ermöglichen und verstärken deren digitale Abwicklung. Ebenso wird die Koordination mit externen Unternehmen schrittweise vermehrt digital abgewickelt. Die Anforderungen an die IT-Kompetenzen der Mitarbeitenden nehmen in beiden Berufen stetig zu. Bauführer/innen werden in Zukunft vermehrt Daten selbst bearbeiten und analysieren und eine wichtige Rolle bei der Wissensvermittlung bezüglich dieser neuen digitalen Kompetenzen einnehmen.

Im Sekretariat hat die digitale Transformation bereits viele Tätigkeiten stark verändert: Einfachere Arbeiten sind weggefallen und das Arbeiten mit digitalen Instrumenten ist weit verbreitet. Diese Entwicklung setzt sich fort; verschiedene Arbeiten lassen sich dank digitaler Hilfsmittel effizienter und qualitativ besser (also fehlerfreier) abwickeln, sodass für solche Tätigkeiten ein geringerer Zeit- und Arbeitsaufwand erforderlich ist. Demgegenüber nimmt das Arbeiten in ERP-Systemen zu, in denen Prozesse aus Finanzen, Personal, Logistik, Services, Beschaffung und anderen Bereichen integriert sind. Für eine effiziente Nutzung dieser Systeme sind gute IT-Anwenderkenntnisse notwendig.

Was leistet das Instrument?

Das Tool der FH Graubünden liefert Erkenntnisse darüber, inwieweit die Mitarbeitenden die notwendigen berufsspezifischen Kompetenzen zur Gestaltung der digitalen Transformation bereits mitbringen und wo noch Entwicklungsbedarf besteht. Zudem wird erhoben, wie motiviert eine Person ist, um ihre Kompetenzen anzupassen, und wie stark die Mitarbeitenden sich von ihren Führungskräften dabei unterstützt fühlen. Als Resultat erhält das betreffende Unternehmen eine Positionierung aller Mitarbeitenden gemäss Matrix in Abbildung 1.

Positionierung der Mitarbeitenden angesichts der digitalen Transformation

Die Ausprägungen in diesen beiden Dimensionen werden anhand einer online durchgeführten Mitarbeitendenumfrage erhoben. Das Ergebnis ist eine Selbsteinschätzung der Mitarbeitenden und muss anschliessend in einem Workshop mit dem untersuchten Team diskutiert und validiert werden.

Das Instrument liefert verschiedene Detailauswertungen, so zum Beispiel Hintergründe zur Einschätzung der Veränderungsbereitschaft, Auswertungen zur Einschätzung der Kompetenzen in Bezug auf jede untersuchte Tätigkeit oder Informationen, die aufzeigen, wie die Mitarbeitenden die Unterstützung der Führungskräfte wahrnehmen. Ausserdem ermöglicht das Instrument die Erstellung individueller Mitarbeitendenprofile. Es kann zur erstmaligen Standortbestimmung oder für ein regelmässiges Monitoring des Entwicklungsprozesses eingesetzt werden.

Ausblick

Die Diskussionen an den drei Regionalversammlungen der Bündner Baumeister bezogen sich zunächst auf konkrete Problemstellungen, zum Beispiel den Umgang mit Passwörtern oder die Nutzung von Clouds. Doch die Unternehmen kommen mittelfristig nicht darum herum, das Thema systematisch anzugehen. Angesichts des Fachkräftemangels ist eine proaktive Personalentwicklung für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend. Dies ist wichtig, um zum einen attraktiv für die digital kompetenten Leistungsträger zu bleiben, denn kompetente Mitarbeitende wünschen auch im digitalen Bereich ein zeitgemässes Instrument, um ihre Arbeit effizient und qualitativ hochwertig zu erbringen. Zum anderen müssen die Unternehmen darauf achten, dass sie auch digital weniger affine Mitarbeitende bei dieser Entwicklung mitnehmen und allfällige Kompetenzlücken schliessen.

Erfolgreiches Pilotprojekt – bereit für den Einsatz

Es liegt somit ein tragfähiges Instrument vor, das Unternehmen dabei unterstützt, die Auswirkungen der digitalen Transformation auf die Personalentwicklung vorausschauend zu planen. Das Instrument ist für verschiedene Berufe in diversen Branchen einsetzbar. Das Team der FH Graubünden sucht Unternehmen und Branchenverbände, die bereit sind, das Produkt – beispielsweise im Rahmen von GRdigital – einzusetzen und weiterzuentwickeln.