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Ein Stups in die richtige Richtung

25. Oktober 2018

Vergangenen Dienstag luden die Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur und das Liechtenstein-Institut zur 16. Ausgabe des Wirtschaftspolitischen Seminars Alpenrhein. Dr. Axel Sonntag von Insight Austria, Wien, nahm das Publikum unter dem Motto «Verhaltensökonomie nutzbar machen – Einblicke in die österreichische Nudge-Unit» auf eine verhaltensökonomische Reise mit.

Gesellschaften unterwerfen sich Regeln. Wenn entdeckt, werden Regelverstösse üblicherweise sanktioniert. Dies ist sowohl im privaten als auch im öffentlichen Rahmen der Fall. Nicht immer führen Sanktionen aber zu ungewünschten Effekten. Ein Wecker, der beim Klingeln beginnt, das eigene Geld zu schreddern, kann bei guter Kassenlage «ausnahmsweise» zum Verschlafen einladen.

An verhaltensökonomischen Forschungseinrichtungen wie Inside Austria versucht man daher, andere Wege zu gehen. Anhand eines einfachen Beispiels zeigte Dr. Sonntag eindrücklich, wie wichtig Alternativen zu Sanktionen mitunter sind: Eltern, die ihre Kinder erst spät nach Betreuungsschluss aus dem Kindergarten abholen, sorgten mit ihrem Verhalten vielerorts für Ärgernis, Zusatzkosten und Überstunden der Betreuungspersonen. In einer Studie in Israel wurde die Wirkung von Strafgebühren für das verspätete Abholen untersucht. Der gewünschte Effekt, wonach die neue Strafe diesem Trend ein Ende setzen würde, blieb aus. Im Gegenteil, mit der Einführung der Gebühr wuchsen die Verspätungen noch an, da die Eltern sie nicht als Strafe, sondern als Preis für das verspätete Abholen ansahen. Für die berufstätigen Eltern wurde so ein Regelbruch zur Kostenkalkulation. Lohnte sich die Gebühr im Vergleich zur zusätzlichen Arbeitszeit, holten sie ihre Kinder erst recht später ab.

Manchmal reichen kleine Alternativen zu Sanktionen, um wichtige Verhaltensänderungen zu bewirken: In der Schweiz gilt die Zustimmungsregel für Organspenden, Personen müssen also vor ihrem Tod ausdrücklich ihren Willen zur Spende erklärt haben. In Österreich gilt die Widerspruchsregelung: wer nicht spenden möchte, muss dies vor dem Tod ausdrücklich erklären. 2017 warteten in der Schweiz pro Organspende 10.19 registrierten Personen auf eine solche, in Österreich waren dies nur 3.44. Man kann die Nicht-Bereitschaft zur Organspende nicht sanktionieren, man kann aber andere Effekte benutzen, um die Zahl der möglichen Organspender zu beeinflussen: Menschen denken halt nicht gerne vorab über ihren Tod nach und treffen daher selten diesbezügliche Regelungen.

Mit sanktionsfreien Methoden Entscheide «anstupsen»

Speziell Staaten aus dem angelsächsischen Raum verwenden in den letzten Jahren sanktionsfreie Methoden, um das Verhalten ihrer Bürger zu beeinflussen. «Nudging» (Englisch für «stupsen») bezeichnet das Anstossen von menschlichen Verhaltensmustern auf systematische und vorhersagbare Weise. Entscheidungen werden bei dieser Methode aber nicht erzwungen, sondern höchstens gelenkt. Auch für viele staatliche Institutionen in der Schweiz ist Nudging eine interessante Alternative.

Auch das organisierende Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) an der HTW Chur ist an einem verhaltensökonomischen Forschungsprojekt beteiligt. Die internationale Forschergruppe «Gerechtigkeit, Anreize und heterogene Bedarfe» untersucht mittels verhaltensökonomischer Experimente die volkswirtschaftlichen Kosten, die auf fehlende Anreize durch staatliche Umverteilung zurückzuführen sind. Antworten darauf sollen bis im Jahr 2021 vorliegen.

Das Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung (ZWF) ist das Kompetenzzentrum für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftspolitik und angewandte Statistik der HTW Chur. Seine Tätigkeit konzentriert sich auf die Forschungsfelder «Regionalentwicklung», «Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik», «Energieökonomie» und «Nachhaltige Entwicklung».

Weitere Details:

Dr. Axel Sonntag präsentiert am 16. Wirtschaftspolitischen Seminar Alpenrhein an der FH Graubünden.
Dr. Axel Sonntag verdeutlicht, dass auch privates Sanktionieren für Verschlafen nicht immer erfolgreich sein muss (Bild: FH Graubünden / Marc Herter)

Fachhochschule Graubünden

Als agile Hochschule setzt die FH Graubünden auf dynamisches Denken und proaktives Handeln. Mit diesem Mindset gestaltet sie nachhaltig die Zukunft mit. Studium und Forschung sind interdisziplinär und orientieren sich an praktischen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre über 2300 Studierenden bildet sie zu hochqualifizierten und verantwortungsvollen Persönlichkeiten aus. Die Hochschule bietet Studien- und Weiterbildungsangebote in Architektur, Bauingenieurwesen, Computational and Data Science, Digital Supply Chain Management, Information Science, Management, Mobile Robotics, Multimedia Production, Photonics sowie Tourismus an. In ihrer Forschung fokussiert sie auf die Themen Angewandte Zukunftstechnologien, Entwicklung im alpinen Raum und Unternehmerisches Handeln, und agiert auch partizipativ in Reallaboren. Die Mitwirkung aller Hochschulangehörigen trägt zur Weiterentwicklung der Fachhochschule und deren Qualität bei.