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Gemeinden als Tourismusunternehmen mit hohen Risiken

29. Mai 2019

Qualitativ hochstehende Tourismusinfrastrukturen sind für die touristische Entwicklung essenziell, allerdings teuer und kaum rentabel, weshalb bei der Finanzierung oft die Standortgemeinden helfen. Das Projekt «InfraTour» der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur zeigt für den Kanton Graubünden, dass Gemeinden mittlerweile eine wichtige Rolle in der Tourismusfinanzierung spielen, sei es über Darlehen, Bürgschaften, Zuschüsse oder Aktienkapital. Dies birgt finanzielle Risiken, vor allem wenn die Engagements nicht aktiv bewirtschaftet werden. Ein neuer Leitfaden für Gemeinden stellt dazu Ansätze und Instrumente vor.

Finanzielle Beteiligungen in grossem Umfang

Tourismusinfrastrukturen sind teuer und aufgrund immer kürzeren Lebenszyklen sowie hohen Unterhaltskosten von Gebäuden und Anlagen oft nicht rentabel. Es wird deshalb besonders in saisonalen ländlichen Ferienregionen immer schwieriger, diese alleine mit privaten Mitteln zu finanzieren. Weil zeitgemässe Infrastrukturen aber für die touristische Entwicklung essenziell sind, springt oft die öffentliche Hand ein. Besonders Gemeinden fühlen sich für die wirtschaftliche Entwicklung und den Tourismus mitverantwortlich. Schweizweit ist zu beobachten, dass sie sich finanziell engagieren, sei es bei lokalen Bergbahnen, bei Hotels, Feizeitparks oder Kongresszentren. Dies führt zu hohen finanziellen Engagements was beträchtliche finanzielle Mittel bindet und nicht immer zu den erhofften Ergebnissen führt.

Eine aktuelle Untersuchung der HTW Chur kommt zum Schluss, dass die finanziellen Engagements alleine bei den 25 grössten Tourismusgemeinden des Kantons Graubünden einen Buchwert von über CHF 320 Mio. aufweisen. Der effektiv getätigte Finanzzufluss dürfte ein Mehrfaches davon betragen. Ausserdem gewähren die Gemeinden jährlich CHF 38 Mio. Zuschüsse an touristische Infrastrukturen. Damit werden sie zu eigentlichen Tourismusunternehmen.

Beteiligungsmanagement oft unsystematisch

Ungeachtet des hohen Engagements ist das touristische Beteiligungsmanagement der Gemeinden in der Praxis teilweise unsystematisch und weist Defizite auf. Die Finanzierungsentscheide sind vielfach zu wenig mit regionalen Tourismusstrategien oder einem Masterplan verknüpft. Auch die grundsätzliche Frage nach der Rolle der Gemeinde wird eher am Rande diskutiert. Grossmehrheitlich verfügen die Gemeinden somit über kein tourismusspezifisches Beteiligungskonzept, das ihnen als Richtlinie für Investitionsentscheide in touristische Infrastrukturen und bei der Bewirtschaftung der Engagements dienen könnte, und es fehlt häufig an personellen Ressourcen, geeigneten Führungsinstrumenten und Wissen.

Neues «InfraCheck»-Tool und 14 Handlungsempfehlungen

Hier setzt die Fachhochschule aus Graubünden mit einem Leitfaden für Gemeinden an. Dadurch werden diese in ihren anspruchsvollen Finanzierungsentscheiden und im Beteiligungsmanagement unterstützt, um nachhaltige und langfristig sinnvolle Finanzierungsentscheide zu treffen. Dazu gehört einerseits der sogenannte «InfraCheck» mit zwölf Kriterien und über 20 Fragen, die alle wichtigen Aspekte im Finanzierungsentscheid abdecken. Andererseits werden zahlreiche Vorlagen, Beispiele, Tipps und Checklisten zum Aufbau und zur Umsetzung eines geeigneten Beteiligungsmanagements angeboten. Darüber hinaus geben 14 Handlungsempfehlungen konkrete Orientierungshilfe.

Das Projekt, welches interdisziplinär vom Institut für Tourismus und Freizeit (ITF) sowie dem Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM) der HTW Chur erarbeitet wurde, konnte dank der Unterstützung verschiedener Institutionen realisiert werden. Finanzielle und inhaltliche Unterstützung boten der Förderverein der HTW Chur, das Amt für Wirtschaft und Tourismus (AWT) Graubünden sowie die Gemeinden Arosa, Flims, Scuol, Surses, St. Moritz und Vals.

Weitere Details:

Gemeinden spielen eine wichtige Rolle in der Tourismusfinanzierung, was jedoch entsprechende Risiken birgt.
Gemeinden spielen eine wichtige Rolle in der Tourismusfinanzierung, was jedoch entsprechende Risiken birgt.

Weitere Auskünfte

Prof. (FH), Dr. iur. HSG, MRICS

Fachhochschule Graubünden

Als agile Hochschule setzt die FH Graubünden auf dynamisches Denken und proaktives Handeln. Mit diesem Mindset gestaltet sie nachhaltig die Zukunft mit. Studium und Forschung sind interdisziplinär und orientieren sich an praktischen Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Ihre über 2300 Studierenden bildet sie zu hochqualifizierten und verantwortungsvollen Persönlichkeiten aus. Die Hochschule bietet Studien- und Weiterbildungsangebote in Architektur, Bauingenieurwesen, Computational and Data Science, Digital Supply Chain Management, Information Science, Management, Mobile Robotics, Multimedia Production, Photonics sowie Tourismus an. In ihrer Forschung fokussiert sie auf die Themen Angewandte Zukunftstechnologien, Entwicklung im alpinen Raum und Unternehmerisches Handeln, und agiert auch partizipativ in Reallaboren. Die Mitwirkung aller Hochschulangehörigen trägt zur Weiterentwicklung der Fachhochschule und deren Qualität bei.