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Grenzregionen der Ostschweiz

Grenzregionen der Ostschweiz von der Pandemie hart getroffen

28. April 2022

Der grenzüberschreitende Tourismus in der Ostschweiz hat stark unter der Pandemie gelitten. Resilienter war die Industrie, wie eine Studie der Fachhochschule Graubünden zeigt.

Die Corona-Massnahmen stellten für Grenzregionen der Schweiz einen Stresstest dar. Im Auftrag der Ostschweizer Regierungskonferenz untersuchten wir 2020 mithilfe verschiedener Datenquellen, wie sich diese in- und ausländischen Massnahmen auf den grenzüberschreitenden Austausch auswirkten. Dabei stützen wir uns teilweise auf seit der Corona-Krise neu zugängliche Daten zu Mobilität und Zahlungsverkehr, die in Echtzeit oder mit kurzer Zeitverzögerung öffentlich zugänglich sind.

Für diesen Beitrag haben wir die Studie mit Daten für das Jahr 2021 ergänzt. Die Daten beziehen sich auf das Gebiet der Kantone Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau (im Folgenden als «Ostschweiz» bezeichnet). Als ausländische Grenzregionen gelten die angrenzenden Regionen Deutschlands, Österreichs und Italiens.

Personenverkehr nimmt ab

Beim motorisierten Personenverkehr zeigen die Daten des Bundesamts für Strassen (Astra): Während der Pandemie war die grenzüberschreitende Mobilität deutlich stärker eingeschränkt als die inländische Mobilität (siehe Abbildung 1). So ging der grenzüberschreitende Personenwagenverkehr während des erstens Lockdowns im April 2020 gegenüber den ersten beiden Monaten des Jahres 2020 um bis zu 70 Prozent zurück. Innerhalb der Schweiz betrug der Rückgang maximal 50 Prozent, wie inländische Zählstellen zeigen.

Im Jahr 2021 lag die grenzüberschreitende Mobilität insgesamt deutlich über dem Niveau des Jahres 2020. Während der fünften Welle Ende 2021 nahm der Verkehr an den Grenzübergängen erneut stärker ab als innerhalb der Schweiz.

Abb. 1: Motorisierter Personenverkehr an Grenzstellen der Ostschweiz (2020–2021)

Stabiler Güterhandel

Im Gegensatz zum Personenverkehr war der Lastwagenverkehr weniger stark von den Pandemiemassnahmen betroffen, wie die Astra-Daten zeigen: Auf dem Höhepunkt des ersten Lockdowns Mitte April 2020 betrug der maximale Rückgang des Lastwagenverkehrs – sowohl innerhalb der Schweiz als auch grenzüberschreitend – 40 Prozent gegenüber den Monaten vor der Pandemie.

Die Daten legen die Interpretation nahe, dass die grenzüberschreitenden Lieferketten der Industrie, aber auch des Gewerbes nur für kurze Zeit erschwert waren und sich rasch wieder einspielten. Dies bestätigen auch Auswertungen der Güterexporte und -importe der Ostschweiz, welche 2020 zwar abnahmen, sich dann aber rasch wieder erholten. Die Entwicklung ist weitgehend auf die internationale Wirtschaftsentwicklung zurückzuführen, der die Ostschweizer Industrie aufgrund ihrer Stärke in der Investitionsgüterindustrie überdurchschnittlich stark ausgesetzt ist.

Tourismus leidet

Einen besonders starken Rückgang während der Pandemie verzeichnete der grenzüberschreitende Tourismus. Laut der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) brach der grenzüberschreitende Tourismus in den ersten acht Monaten des Jahres 2020 gegenüber der Vorjahresperiode um 70 Prozent ein. Grenzschliessungen und Quarantäneauflagen führten dazu, dass der grenzüberschreitende Tourismus phasenweise praktisch stillstand.

So verzichteten viele Gäste aus den Nachbarstaaten sowohl 2020 als auch im ersten Halbjahr 2021 auf Ferien in den untersuchten Kantonen (siehe Abbildung 2). Immerhin konnten viele Destinationen die Verluste mit inländischen Gästen, die aus demselben Grund weniger internationale Reisemöglichkeiten hatten, teilweise kompensieren. Wenig profitieren von der Inlandnachfrage konnten jedoch die Städte, da der für sie wichtige Geschäftstourismus weitgehend ausblieb. Ein Spezialfall ist das bündnerische Davos, das unter anderem wegen der Absage des Weltwirtschaftsforums (WEF) einen massiven Einbruch des Kongresstourismus hinnehmen musste.

In der Gastronomie lagen die Kartenumsätze im Jahr 2021 wieder über dem Niveau von 2019, wie Daten von Monitoring Consumption Switzerland zeigen. Ein Teil dieses Effekts könnte allerdings durch veränderte Zahlungsgewohnheiten bedingt sein.

Abb. 2: Logiernächte in der Ostschweiz (im Jahr 2020 und 2021 im Vergleich zu 2019)

Einkaufstourismus unterbrochen

Einen starken Einbruch verzeichnete der Einkaufstourismus. So nahmen die Debitkartenzahlungen in Deutschland von Personen aus der Schweiz in den Pandemiejahren 2020 und 2021 gegenüber 2019 deutlich ab.

Im inländischen Detailhandel ist die Bilanz durchzogen: Während die Sparten Retail und Food sowohl 2020 als auch 2021 kräftig wachsende Kartenumsätze verzeichneten, kam es im Non-Food-Bereich aufgrund des Lockdowns zu teilweise starken Rückgängen. Über das ganze Jahr 2021 lag der Umsatz auch im Non-Food-Bereich jedoch bereits wieder über dem Wert von 2019.

Als weitgehend stabil erwies sich der grenzüberschreitende Arbeitsmarkt: Gemäss den Daten des Bundesamts für Statistik (BFS) verharrte die Zahl der Grenzgänger im Jahr 2020 sowohl hinsichtlich der Herkunft als auch hinsichtlich der Arbeitskantone auf dem Vorkrisenniveau. Bei Grenzgängern aus Italien (vor allem nach Graubünden) kam es sogar zu einer leichten Zunahme. Im Jahr 2021 legte die Zahl der Grenzgänger in der gesamten Ostschweiz wieder zu.

Zur Stabilisierung dieser Arbeitsverhältnisse haben sicherlich die Kurzarbeitsentschädigungen beigetragen, die auch an Grenzgänger ausgezahlt wurden. So konnten Entlassungen vermieden werden. Zudem hatte die Schweiz mit ihren Nachbarländern im Einklang mit den EU-Empfehlungen vereinbart, dass Grenzgänger, die aufgrund von Corona-Massnahmen im Homeoffice arbeiten, weiterhin in der Schweiz sozialversichert bleiben.

Hilfreiche Echtzeitdaten

Abschliessend lässt sich sagen: Echtzeitdaten – wie etwa die Verkehrsdaten des Astra, die Zahlungsdaten von Monitoring Consumption Switzerland, aber auch Spezialauswertungen des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zu monatlichen kantonalen Handelsflüssen – haben sich in der Studie als wertvolle Ergänzung zu den traditionellen Daten wie beispielsweise Logiernächten oder Unternehmensbefragungen erwiesen.

Diese Datenquellen können eine wichtige Grundlage für ein Monitoring der regionalen Wirtschaftslage in der Schweiz bilden. Noch stehen wir erst am Anfang. Das Ziel sollte eine national nutzbare Dateninfrastruktur für das Monitoring von Regionen sein.