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Auf dem Weg zur Hochschule 4.0
Auf dem Weg zur Hochschule 4.0

Auf dem Weg zur Hochschule 4.0

Vor zwei Jahren wurde das Blended Learning Center an der FH Graubünden gegründet. Zeit, eine erste Bilanz zur digitalen Transformation der Lehre an der Bündner Fachhochschule zu ziehen.

Text: Prof. Dr. Christian Glahn / Bild: FH Graubünden

Zwei Technologien haben den Umgang mit Informationen und Wissen in den letzten 20 Jahren grundlegend verändert: das Internet und das Mobiltelefon. Dienste wie YouTube, Facebook, Wikipedia und Maps sowie Praktiken wie «Selfies» und «Texten» werden nicht nur von den sogenannten «Digital Natives» genutzt, sondern sind inzwischen Teil der ganz normalen Mediennutzung von Jung und Alt. Bei der immer einfacheren Bedienbarkeit der Kommunikationstechnologien darf eines nicht vergessen werden: Ihr professioneller Einsatz sowie der Umgang mit diesen vernetzten Kommunikationstechnologien müssen erst erlernt werden.

Der alltägliche Umgang mit dem Internet am PC und mobilen Geräten zeigt, dass Echtzeitinformation, Flexibilität und Mobilität schon längst keine Schlagworte der Werbung mehr sind. Weil Faktenwissen praktisch jederzeit und überall verfügbar ist, sind Schulen und Hochschulen, aber auch Unternehmen gefordert, das immer wichtigere vernetzte Denken und die Lösungskompetenz zu fördern.

Mit Blended Learning begegnet die FH Graubünden diesen Herausforderungen und verbindet damit die modernen Medien- und Kommunikationswelten mit dem Unterricht in allen Fächern. Im Churer Modell zur didaktischen Strategie der FH Graubünden wird die zentrale Bedeutung von Lerntechnologien für alle Aspekte der Hochschullehre deutlich. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Lehre vollständig automatisiert und dass das Studium an der Bündner Fachhochschule nur noch online stattfinden wird. Vielmehr unterstützen die digitalen Technologien das Studium, indem sie es flexibler und variantenreicher gestalten und gleichzeitig die persönliche Betreuung der Studierenden im Hinblick auf einen erfolgreichen Studienabschluss gewährleisten.

Die digitale Transformation der Hochschullehre lässt sich nicht auf die Bereitstellung von Lerntechnologien reduzieren. Digitale Transformation bedeutet, dass grundsätzliche Elemente des Studiums überarbeitet werden müssen. Dazu gehören insbesondere die Curricula der einzelnen Studiengänge, die zeitlichen und räumlichen Anforderungen an die Studienangebote sowie die didaktische Ausgestaltung einzelner Lehrveranstaltungen.

Das Blended Learning Center (BLC) arbeitet seit zwei Jahren im intensiven Dialog mit Dozierenden, Studienleitungen, der Hochschulleitung und der Administration an der digitalen Transformation der FH Graubünden. Mit dem Start der Bachelorstudienrichtungen Sport Management im Blockmodus im Herbstsemester 2015 und Digital Business Management im Herbst 2016 werden nun zwei Studienangebote fast vollständig im Blended-Learning-Modus durchgeführt. Mit dem CAS Blended Learning wird darüber hinaus ein erstes Weiterbildungsangebot in diesem Modus durchgeführt.

 

Kombination von Online- und Präsenzaktivitäten

Blended Learning steht für die Verbindung von Online- und Präsenzaktivitäten. Lernaktivitäten im Kontakt- und Selbststudium werden durch digitale Technologien unterstützt. Abhängig vom Grad der Integration in die Unterrichtsprozesse können fünf Typen von technologischer Unterstützung unterschieden werden. Die einfachste Form der Unterstützung ist die Lehrmittelverwaltung, gefolgt von der Kursinformationsverwaltung. Bei diesen beiden Formen kann noch nicht von Blended Learning gesprochen werden, weil die Technologie nicht die Didaktik unterstützt. Tiefere Integration, auch auf didaktischer Ebene, bieten das nicht-referenzielle, das multimodale und das datengeleitete Blended Learning. Bei diesen Formen der technologischen Unterstützung hat die Technologie eine didaktische Funktion im Lehr- und Lernprozess.

Als das BLC vor zwei Jahren gegründet wurde, wurden Lerntechnologien fast ausschliesslich im Sinne der Lehrmittelverwaltung verstanden: Die Lernplattform wurde überwiegend zur Verteilung von Skripten verwendet. Online-Aktivitäten wurden nur vereinzelt eingesetzt und die Moderationsunterstützung wurde nicht genutzt. Die Kursinformationsverwaltung wurde ausschliesslich über zeitraubende und fehleranfällige Prozesse abgewickelt.

Heute zeichnet sich die Lehre in allen Departementen der FH Graubünden durch eine grössere Vielfalt von Online-Lernaktivitäten aus. Dozierende machen erste Schritte, die Lernplattform als Unterrichtsassistenz für ihre didaktischen Konzepte einzusetzen. Mit diesen Entwicklungen steigt auch der Bedarf unter den Dozierenden, den gesamten Lehrprozess und besonders die Notenbildung zu digitalisieren. Damit werden elektronische Prüfungsformen und die Beurteilung komplexer Fähigkeiten durch formative Prozesse in den Fokus gerückt.

Churer Modell für Blended Learning
So sieht der Live-Stream Unterricht aus.
Unterricht wird live übertragen.

Telepräsenz-Studium

Seit Langem werden Lehrveranstaltungen an der FH Graubünden den Studierenden über das Internet zugänglich gemacht. So können Studierende an einer Veranstaltung teilnehmen, auch wenn sie nicht am gleichen Ort wie die Dozierenden sein können. Dadurch werden beispielsweise Gruppen an verschiedenen Standorten gekoppelt; oder Leistungssportlerinnen und -sportler können dem Studium auch während ihrer Absenzen folgen. Seit Herbstsemester 2016 hat die FH Graubünden einen Telepräsenzraum eingerichtet, um es den Dozierenden zu erleichtern, ihre Studierenden live an den Lehrveranstaltungen teilhaben zu lassen. Dieser Raum wird derzeit intensiv für die Bachelorstudienrichtung Sport Management genutzt. In einem Folgeschritt sollen die Interaktionsmöglichkeiten verbessert werden, so dass eine aktive Teilnahme von verschiedenen Orten aus leichter wird.

 

Mobiles Lernen

In der Vertiefung Banking des Bachelorstudiums Betriebsökonomie wurde letzten Herbst das erste Mal die Mobler App im Unterricht eingesetzt. Die Mobler App ist eine interaktive Lernkartenanwendung für Smartphones. Die Studierenden können damit einen Teil ihrer Lernaktivitäten am Smartphone absolvieren. Das Besondere an der Mobler App ist die Integration in das zentrale Lernmanagement. Dadurch können die Dozierenden die Inhalte der App direkt aus dem Modulverlauf heraus kontrollieren und deren Einsatz an ihren gesamtdidaktischen Überlegungen ausrichten. Derzeit wird dieses Angebot für den Produktionsbetrieb vorbereitet.

 

Wirtschaftlichkeit durch Digitalisierung

Die wirtschaftlichen und operativen Potenziale für automatisierte Schnittstellen zwischen den administrativen und didaktischen Prozessen wurden in der Praxis evaluiert und durch das BLC bestätigt. Dass die FH Graubünden am Anfang einer tiefgreifenden Transformation steht, ist dabei von Vorteil, weil sowohl alte als auch neue Konzepte zum Einsatz kommen und somit direkt miteinander verglichen werden können. Für die Fachhochschule ergeben sich zum Beispiel Einsparpotenziale allein schon aufgrund der Verringerung von Fehlern bei der Moduleinschreibung. Diese Fehler entstehen durch die manuelle Übertragung und Verteilung von Daten.

An der Bündner Fachhochschule gibt es viele Prozesse in der Lehre, die für sich genommen nur kleine Stolpersteine für Dozierende und Studierende darstellen. Durch automatisierte Schnittstellen konnten diese Stolpersteine in drei Pilotstudienangeboten von sieben auf null Prozent reduziert werden. Das bedeutet für die FH Graubünden eine Reduktion von drei Monaten Arbeitszeit pro Jahr, die allein für die Behebung manueller Fehlerquellen aufgebracht werden müssen.

 

Privatsphäre und Datenschutz

Bei all diesen Aktivitäten sind die Privatsphäre und der Datenschutz ein wichtiges Anliegen für die FH Graubünden. Aus diesem Grund arbeitet das BLC an verschiedenen Projekten, um die Studierenden- und Dozierendendaten bestmöglich zu schützen und trotzdem eine möglichst grosse Aktivitätsvielfalt bieten zu können. Dazu gehört zum Beispiel das Swiss EduID Mobile App Projekt.

In den letzten zwei Jahren hat die digitale Transformation der Lehre an der FH Graubünden grosse Fortschritte gemacht. Die didaktischen und wirtschaftlichen Vorteile der technologischen Unterstützung zeigen, dass die Bündner Fachhochschule den richtigen Weg eingeschlagen hat. Dieser Weg ist aber noch nicht abgeschlossen. Deshalb wird das BLC auch weiterhin intensiv an den Herausforderungen der Transformation zur Hochschule 4.0 arbeiten und innovative Impulse mit nationaler Ausstrahlung setzen.

Beitrag von

Christian Glahn, Prof. Dr.

War Leiter des Blended Learning Centers, Prorektorat