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Wissensdurstig
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Wissensdurstig

Anhaltender Wissensdurst fördert den beruflichen Erfolg. Heute mehr denn je. Dies gilt besonders in Berufsfeldern, die stark vom technologischen Fortschritt geprägt sind. Doch wie wird Lernen zur Quelle für Erfolg und Lebensfreude? Und wie bleibt der Wissensdurst erhalten?

Text: Petra Hasler / Bilder: FH Graubünden

Kleinkinder erforschen die Welt voller Neugierde. Sie lernen mit allen Sinnen und sind in ihrem Entdeckerdrang nicht zu bremsen. Bei vielen Kindern lässt die Freude am Lernen jedoch nach, sobald sie nicht mehr selber bestimmen können, was und wie sie lernen dürfen, und den Sinn und Zweck des Lernens aus den Augen verlieren. Bewertungen durch Noten können die Lernfreude zusätzlich dämpfen. Später, im Jugend- und Erwachsenenalter, entsprechen die Lerninhalte durch die Wahl der Ausbildung oder des Studiums wieder vermehrt den eigenen Interessen. Der enge Bezug zur (späteren) Arbeit ist laut dem Psychologen und Lerncoach Fabian Grolimund zentral für ein nachhaltiges Lernen: «Wer den Sinn darin erkennt, erlebt das Studium als spannend.» Dies bestätigt auch der deutsche Neurobiologe Gerald Hüther, der mit seinen Büchern aufzeigt, was Menschen stark und erfolgreich macht. Laut ihm sollen Lerninhalte zudem positive Gefühle auslösen, an bestehendes Wissen oder Erlebtes anknüpfen und weder über- noch unterfordern. Ausserdem lerne der Mensch am besten in einer sozialen Gemeinschaft.

Lernprozess als Selbstläufer

Wer andere zum Lernen inspirieren möchte, muss sie laut Hüther mit seiner Begeisterung anstecken, Beziehungen aufbauen und ein vertrauensvolles, kooperatives Umfeld schaffen. Wie wichtig Vertrauen und Teamarbeit für den Lernprozess sind, weiss auch Heiner Butz. Der Dozent und Leiter des Majors «Journalismus multimedial» im Bachelorstudium Multimedia Production an der Fachhochschule Graubünden lässt den Studierenden in der redaktionellen Arbeit grösstmögliche Freiheit: «Die Studierenden knüpfen an ihre Lebenswelt an, arbeiten kollaborativ und lernen so voneinander und gemeinsam anhand der aktuellen Problemstellungen. Die intrinsische Motivation erhöht sich durch dieses Lernumfeld markant.» Gelingt die Anbindung an die Realität respektive Praxis, wird der Lernprozess zum Selbstläufer. Die Studierenden erleben das gute Gefühl, Information in Wissen und Know-how umwandeln zu können. Sich fähig und kompetent zu fühlen, bedeutet weit mehr als nur gute Noten zu erzielen.

Gemeinsam lernen macht nicht nur mehr Spass, es ist auch nachhaltiger.

Ein bevorzugter Sinneskanal kann die Effektivität des Lernens begünstigen. Doch die Einteilung der Menschen nach «auditiven», «visuellen», «haptischen» oder «kognitiven» Lerntypen gilt heute als überholt, denn nicht alle Typen beziehen sich sowohl auf das Aufnehmen als auch auf das Verarbeiten und Speichern der Informationen. Daher wird in den Kognitionswissenschaften heute vor allem der Begriff «Lernstile» verwendet. Um erfolgreich eigenständig zu lernen, müsse man sich selbst kennenlernen und herausfinden, wie, wo, wann und mit wem man am besten lerne, erklärt Fabian Grolimund und ergänzt: «Vielen Studierenden hilft Struktur – feste Zeiten, zu denen man sich mit anderen trifft, um Inhalte zu besprechen.»

Begleitung und Struktur beim Selbststudium

Um dem Bedürfnis nach Struktur und Austausch zu entsprechen, plane ich als Dozentin am Institut für Multimedia Production sowohl die Selbststudiumsphasen wie auch die Unterrichtseinheiten. Ich zerlege den Lernprozess in kleine Schritte, baue Pflichtelemente wie Peer Feedbacks mit Checklisten oder Reflexionen ein und biete terminierte Coachings und Feedbacks an. Lerninhalte wie Videos, Audios und Texte ergänze ich mit Worksheets oder sammle die Gedanken der Studierenden zum jeweiligen Thema in einem Forum, wodurch auch beim selbstständigen Arbeiten die Gemeinschaft spürbar wird. Motivierend wirkt nebst praxisnahen und sinnstiftenden Aufgaben auch Wahlfreiheit, beispielsweise bei der Themenwahl oder Arbeitsweise (Gruppen- oder Einzelarbeit). Und schliesslich signalisiere ich mit sporadischen E-Mails und regelmässigen Sprechstunden Präsenz sowie Interesse am Lernfortschritt.

Beim Selbststudium sind Struktur und Begleitung wichtig.

Tipps für erfolgreiches Lernen

Lernerfolg und Freude am Lernen sind auch für Fabian Grolimund eine Herzensangelegenheit. Gemeinsam mit der Psychologin Stefanie Rietzler leitet er die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Seine Erkenntnisse für erfolgreiches Lernen gibt er auch in seinem Ratgeber für Studierende «Vom Aufschieber zum Lernprofi» weiter. Nachstehend 10 Tipps daraus:

  1. Eine positive Lernhaltung entwickeln durch die Frage: Was will ich am Ende meines Studiums wissen und können? Denn wer den Sinn des Lernens erkennt, entwickelt echtes Interesse und erlebt das Lernen respektive das Studium als spannend und lebendig.
  2. Die passende Lernumgebung finden: zuhause, in der Bibliothek, im Zug oder im Café, in Gesellschaft oder alleine, mit Tee oder Kaffee als Startritual, mit passender Musik usw.
  3. Freizeit bewusst einplanen und Müllzeit vermeiden – also Zeit, die man mit Aufschieben verbringt, ohne sie als freie Zeit zu geniessen.
  4. Lerneinheiten und Teilaufgaben realistisch planen, um Engpässe zu vermeiden und sich mit gutem Gewissen auf die tagesaktuelle Aufgabe zu konzentrieren.
  5. Nicht nur To-do-Listen, sondern auch Have-done-Listen schreiben: So wird sichtbar, was man geleistet hat, und man sieht nicht nur die Pendenzenberge vor sich.
  6. Bei Unsicherheiten früh Feedback von den Dozierenden einholen und sich beim Lernen mit Peers treffen, um Fragen zum Stoff zu diskutieren und gemeinsam zu arbeiten.
  7. In kurzen, intensiven Phasen lernen und regelmässig Pausen, ein Nickerchen, eine Einheit Sport oder Musizieren einplanen.
  8. Routinen und Rituale etablieren, um nicht jedes Mal neu entscheiden zu müssen, ob und wann gelernt werden soll.
  9. Bei Abschlussarbeiten strategisch vorgehen, sich andere Arbeiten anschauen, deren Struktur vergleichen und für die eigene Arbeit adaptieren.
  10. Sich bei Prüfungen genau darüber informieren, wie und was geprüft wird, und die Lernstrategie entsprechend anpassen.

Fazit

Lernen ist ein lebenslanger Kreislauf aus Erfahrungen, Reflexion, Theoriebildung und Ausprobieren. Ein allgemeingültiges Rezept für effizientes Lernen gibt es nicht. Jede Person muss für sich herausfinden, mit welchen Strategien und in welcher Umgebung Lernen Freude bereitet und der Wissensdurst erhalten bleibt. Was aber immer hilft: Sinnhaftigkeit, Praxis- und Lebensnähe, Neugierde, eine positive Lernhaltung, multisensuale Lernerlebnisse und ein vertrauensvolles Umfeld.

Eine Have-Done-Liste motiviert bei der Arbeit. (Illustration aus dem Ratgeber «Vom Aufschieber zum Lernprofi» von Fabian Grolimund»)

Quellenverzeichnis:

Grolimund, F. (2018). Vom Aufschieber zum Lernprofi. Bessere Noten, weniger Stress, mehr Freizeit. Freiburg im Breisgau: Herder.

Hüther, G. (2016). Mit Freude lernen – ein Leben lang. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.