Menu
News
Kantonale Gebäudeversicherungen trotz EU-Beihilfenregelung zulässig

22. Mai 2019

Die staatlichen Beihilfen sind ein zentraler Streitpunkt beim Rahmenabkommen mit der EU. Eine Studie von Peter Moser (HTW Chur) und Andreas Ziegler (Universität Lausanne) im Auftrag der Vereinigung Kantonaler Gebäudeversicherungen hat die Auswirkungen am Beispiel der kantonalen Gebäudeversicherungen untersucht.

In der Debatte um ein Rahmenabkommen wird die Übernahme der Beihilfenregelung der EU durch die Schweiz kontrovers diskutiert. Dabei werden zwei Aspekte der kantonalen Gebäudeversicherungsmonopole (KGV) thematisiert, welche mit diesen Regelungen unvereinbar seien. Zum einen wird das Monopol an sich kritisiert und zum andern das Verhalten der KGV ausserhalb des Monopolbereichs. Bei der Beurteilung ist zwischen der Monopolfrage und der Geschäftstätigkeit ausserhalb des Monopolbereichs zu differenzieren. Das Monopol beschränkt die Dienstleistungsfreiheit im EU-Binnenmarkt.

Folglich ist die Zulässigkeit des Monopols der KGV nicht von der Übernahme der EU-Beihilfenregelung abhängig, sondern würde sich bei einer Übernahme der EU-Dienstleistungsfreiheit bei einem zukünftigen Finanzdienstleistungs- oder Versicherungsabkommen stellen. Wir sind der Ansicht, dass selbst bei einer Übernahme der EU-Dienstleistungsfreiheit durch die Schweiz das Geschäftsmodell der KGV mit dem Obligatorium und Monopol aufrechterhalten werden kann. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erachtet Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nämlich unter gewissen Bedingungen als zulässig. Solche Begrenzungen müssen einem öffentlichen Interesse dienen, dürfen nicht protektionistisch wirken und müssen verhältnismässig sein. Diese Bedingungen sind unseres Erachtens bei den KGV erfüllt, weil diese ein Marktversagen wirkungsvoll korrigieren. Verschiedene ökonomische Studien zeigen, dass KGV einen effizienten und effektiven Schutz gegen Elementarschäden bieten und wesentliche Vorteile gegenüber privatwirtschaftlich organisierten Systemen aufweisen. Diese Ergebnisse stützen sich sowohl auf den Vergleich der beiden Systeme in der Schweiz als auch auf Analysen des Übergangs von Monopolen zu wettbewerblichen Systemen in Deutschland.

Staatliche Monopolversicherungen haben im Vergleich zu privaten Versicherungen deutlich tiefere Prämien. Dazu tragen tiefere Schadenkosten bei, die aufgrund der grösseren Anreize staatlicher Monopole entstehen, Präventionsmassnahmen zu fördern. Staatliche Monopole sind auch relativ zu ihren (tieferen) Schadenaufwendungen effizienter als private Versicherungsunternehmen und weisen tiefere Vertriebs- und Verwaltungskosten aus.

Das EU-Beihilferecht ist jedoch relevant für die Tätigkeiten der KGV ausserhalb des Monopolbereichs. Gemäss der schweizerischen Rechtsordnung dürfen öffentliche Unternehmen Leistungen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft anbieten. Diese Aktivitäten müssen jedoch auf einer Gesetzesgrundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen, verhältnismässig sein und dürfen nicht allein betriebswirtschaftlich oder fiskalisch motiviert sein. Zudem unterliegen diese Tätigkeiten dem Wettbewerbsrecht. Stellt das EU-Beihilferecht strengere Anforderungen als die schweizerischen Vorgaben? Im Zentrum steht auch beim EU-Beihilferecht die Frage, inwieweit eine Quersubventionierung der im Wettbewerb stehenden Tätigkeiten aus dem Monopolbereich erfolgt. Eine solche Begünstigung ist wettbewerbsverfälschend und damit in der EU grundsätzlich verboten. Um nachzuweisen, dass keine Quersubventionierung stattfindet, muss der Bereich im Wettbewerb buchhalterisch getrennt geführt werden, Kosten und Einnahmen müssen ordnungsgemäss zugewiesen und staatliche Zuwendungen für den Monopolbereich dürfen nicht für die Tätigkeit im Wettbewerb verwendet werden. Das schliesst mit ein, dass alle Zusatzkosten, welche dem Unternehmen aus der Tätigkeit im Wettbewerb entstehen, dieser Tätigkeit angerechnet werden. Ebenso muss dieser Bereich einen angemessenen Beitrag an die Fixkosten bezahlen und eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals tragen.

Die Anforderungen des EU-Beihilferechts sind somit vergleichbar mit jenen der Schweizer Rechtsordnung. Die Herausforderung liegt in beiden Fällen in der Erbringung des konkreten Nachweises im Einzelfall. Auch wenn der EuGH nicht übermässig hohe Anforderungen an diesen Nachweis stellt und lediglich verlangt, dass kein Grund zur Annahme bestehen dürfe, dass die betreffenden Faktoren unterschätzt oder willkürlich festgesetzt worden sind, ist die Einhaltung aller genannten Bedingungen nachvollziehbar darzulegen.

Das Monopol der KGV und eine begrenzte Geschäftstätigkeit in Wettbewerbsbereichen wären auch dann zulässig, wenn in der Schweiz in diesem Bereich in Zukunft die Dienstleistungsfreiheit und die Beihilfenregelung der EU gelten würden. Selbst wenn im gegenwärtigen Entwurf des institutionellen Abkommens eine solche Übernahme nicht vorgesehen ist, besteht kein Grund zur Annahme, dass eine allfällige Übernahme eine Änderung der Marktordnung im Bereich der Gebäudeversicherungen erzwingen würde.

 

Dieser Beitrag erschien als Gastkommentar in der Neuen Zürcher Zeitung vom 15.05.19 (S. 12).

Bild von aufgetürmten Münzen und einem Modellhaus
News ZWF über Gebäudeversicherungen am 22.05.2019