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Regionalwirtschaftliche Bedeutung der Wasserzinsen

27. Mai 2019

Eine neue Studie der HTW Chur und der ZHAW Winterthur hat die Finanzflüsse untersucht, welche durch die Wasserzinsen in der Schweiz ausgelöst werden. Darin werden erstmals die Eigentumsverhältnisse an der Schweizer Wasserkraftproduktion aufgezeigt. Zudem wird analysiert, wie sich Veränderungen bei den Wasserzinsen auf den Finanzausgleich im Kanton Graubünden und somit auf die Gemeindefinanzen und die Regionalentwicklung auswirken würden.

Die Wasserkraft ist ein zentraler Teil des Schweizer Energiesystems und eine wichtige Einnahmequelle für die Berggebiete. Im Rahmen der Energiestrategie 2050 soll sie einen verstärkten Beitrag zur inländischen Stromproduktion und Stromspeicherung aus nachhaltigen Quellen leisten.

Streit um die Wasserzinsen

Die Rentabilität der Schweizer Wasserkraft kam aufgrund niedriger Strompreise auf dem liberalisierten europäischen Markt im vergangenen Jahrzehnt stark unter Druck. Dies hat in der Schweiz zu einer politischen Diskussion um die Verteilung der Netto-Erträge (Ressourcenrente) aus der Wasserkraftnutzung geführt. Auf der einen Seite stehen die Vertreter aus Bergkantonen, welche die Eigentumsrechte am Wasser besitzen. Sie können den Betreibern der Wasserkraft Nutzungsrechte gewähren und erhalten dafür eine Entschädigung, die sogenannten Wasserzinsen, welche einem Teil der Ressourcenrente entsprechen. Auf der anderen Seite stehen vereinfacht gesagt die Mittellandkantone, welche die Hauptaktionäre der Schweizer Elektrizitätsunternehmen sind und dadurch auch grosse Anteile an den Wasserkraftwerken in den Alpen besitzen. Mittels Wasserzinsen werden die Netto-Erträge aus der Wasserkraft unter den beteiligten Akteuren verteilt.

Wie oben erwähnt stellen die Wasserzinsen für die Bergkantone und viele ihrer Gemeinden eine wichtige Einnahmequelle dar. Die Höhe des zu bezahlenden Wasserzinses hängt von der installierten Leistung der Kraftwerke ab und ist im Wasserrechtsgesetz (WRG) auf derzeit CHF 110 pro Kilowatt festgelegt. Dieser Höchstsatz wurde im Jahr 1916 zum ersten Mal nach physikalischen Kriterien festgelegt und seither mehrfach erhöht. Entgegen dem Interesse der Elektrizitätsunternehmen in der jüngeren Vergangenheit berücksichtigt er historisch bedingt jedoch keine wirtschaftlichen Fakten wie schwankende Strompreise. Nach einer langen Ära mit guten Gewinnen fordern diese nun eine Flexibilisierung des Wasserzinssystems.

Ein neues Wasserzinsmodell ist frühestens ab 2025 zu erwarten. Dies, nachdem die derzeitige Regelung mit einem fixierten maximalen Wasserzinssatz vom Bund bis Ende 2024 verlängert wurde. Aus Sicht des Bundes sollen die kommenden fünf Jahre dazu genutzt werden, verschiedene Optionen eines neuen Strommarktdesigns zu prüfen. Dazu zählt unter anderem ein flexibles Wasserzinssystem, das Schwankungen bei den Strompreisen teilweise oder ganz berücksichtigt. Eine andere Idee zielt auf die Einbindung der Wasserzinszahlungen in den Finanzausgleich auf nationaler Ebene ab. Gegenwärtig berücksichtigt dieser keine Nutzungsgebühren für natürliche Ressourcen. Ausser in den Kantonen Wallis und Graubünden; hier sind die Wasserzinseinnahmen Teil des innerkantonalen Finanzausgleichs.

Rolle der Wasserzinsen für die öffentlichen Finanzen

Die beiden Kantone Wallis und Graubünden sind aufgrund der zahlreichen grossen Wasserkraftwerke die grössten Empfänger von Wasserzinszahlungen. Da Gemeinden mit eigenen Wasserkraftwerken im Berggebiet ebenfalls Wasserzinsen zahlen und die Wasserkraft vielerorts ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist, müssen die Auswirkungen alternativer Wasserzinsregelungen sorgfältig untersucht werden.

Aufgrund der Standorte der grössten Wasserkraftwerke in den Alpen entlang der Hauptflüsse Rhone und Rhein sind die Wasserzinseinnahmen ungleich verteilt. Sechs Kantone (VS, GR, AG, TI, BE, UR) erhalten mehr als 80 Prozent der gesamten Wasserzinsen, wobei das Wallis und Graubünden alleine rund 50 Prozent einnehmen. Die Bedeutung der Einnahmen für die öffentliche Hand ist jedoch ganz unterschiedlich. In Uri machen die Wasserzinsen im Vergleich zu den Steuereinnahmen mehr als ein Viertel und im Vergleich zu den Gesamteinnahmen mehr als sechs Prozent aus. In Graubünden liegen diese Werte bei etwa fünfzehn respektive fünf Prozent.

Für viele Konzessionsgemeinden im Wallis und in Graubünden spielen Wasserkraft und Wasserzinsen aber eine wichtige, fast existenzielle Rolle. Sie erhalten Einnahmen in Form von Wasserzinsen und Konzessionsabgaben und an einigen Orten auch einen Teil der von Wasserkraftunternehmen und ihren Mitarbeitenden bezahlten Steuern. Die Gemeinden profitieren aber auch von einem Anteil kostenloser sowie weitere, zu Vorzugsleistungen angebotener Energie samt Infrastrukturleistungen der Elektrizitätsunternehmen.

Ein Grossteil dieser Einnahmen fliesst in vielen Gemeinden in die Instandhaltung der kommunalen Infrastruktur sowie der gemeindeeigenen Unternehmen. Zusätzlich werden mit den Wasserzinsen touristische Einrichtungen finanziert und unterstützt. Einige Gemeinden leisten sich dank den Einnahmen aus der Wasserkraft auch einen tieferen Steuersatz und bieten ihren Einwohnern und Unternehmen etwa vergünstigte Stromtarife, um die Standortattraktivität zu steigern. Dies führt zu indirekten Effekten, die über die direkte Wertschöpfung (Netto-Ertrag) aus der Wasserkraft hinausgehen.

Eigentümer der Wasserkraft zahlen letztendlich die Wasserzinsen

Die Analyse der Verteilungseffekte der Einnahmen zeigt auf, wer die grossen Profiteure der Wasserkraft sind. Aufgrund der komplexen Eigentümerstruktur mit grossen Versorgungsunternehmen, die Anteile an verschiedenen Produktionseinheiten besitzen, sowie lokalen Wasserkraftunternehmen (Partnerwerke), lassen sich die Dividenden gegenwärtig nicht auf die reine Stromproduktion zurückführen. Die Wasserzinszahlungen lassen sich hingegen den einzelnen Aktionären zurechnen.

So lässt sich zeigen, dass rund 36 Prozent der Wasserzinszahlungen, die nach Graubünden fliessen, indirekt von Stadt und Kanton Zürich über ihre Beteiligungen an den Bündner Wasserkraftwerken bezahlt werden. Der Kanton Graubünden und seine Gemeinden kommen mit ihren Beteiligungen selbst für rund 17 Prozent der Wasserzinseinnahmen auf. Die Hauptaktionäre der Schweizer Wasserkraft sind Zürich (Kanton und Stadt) mit fast 15 Prozent, gefolgt von Energieunternehmen aus den Nachbarländern Italien und Frankreich (12 Prozent) und privaten Investoren aus der Schweiz (10 Prozent). Bei der Diskussion um alternative Wasserzinsszenarien sind die Verteilungseffekte aufgrund dieser Fakten zu berücksichtigen.

Verlierer bei sinkenden Wasserzinsen in Graubünden

Im Kanton Graubünden teilen sich der Kanton (mittels Wasserwerksteuer) und die Konzessionsgemeinden die Einnahmen aus den Wasserzinsen zu gleichen Teilen. Zusätzlich fliessen die Wasserzinseinnahmen über den Ressourcenausgleich in die Berechnungen des innerkantonalen Finanzausgleichs mit ein. Der Kanton verfolgt damit das Ziel, Disparitäten aufgrund unterschiedlicher finanzieller Möglichkeiten, die sich durch Unterschiede bei den Einnahmen aber auch bei den  Bevölkerungs- und Wirtschaftsstrukturen ergeben, zu verringern. So profitieren letztlich alle Gemeinden von den Einnahmen aus der Wasserkraft. Folglich wären alle Gemeinden von veränderten Wasserzinsen betroffen.

Die effektiven Auswirkungen veränderter Wasserzinsen fallen aber je nach Gemeinde stark unterschiedlich aus. Am anfälligsten bei einer erheblichen Senkung des Wasserzinses wären ressourcenstarke Gemeinden, die neben der Wasserkraft keine weiteren Stützpfeiler haben. Momentan gehören sie zu denjenigen Gemeinden, die in den Ressourcenausgleich einzahlen, im Falle von stark gesunkenen Wasserzinsen jedoch ressourcenschwach und somit unterstützungsberechtigt werden würden. Denn Wasserzinseinnahmen können in gewissen Fällen bis zu 80 Prozent des kommunalen Ressourcenpotenzials ausmachen. Im Gegenzug müssten dann die verbliebenen ressourcenstarken Gemeinden mehr in den Ressourcenausgleich einzahlen. Dies würde hauptsächlich diejenigen Gemeinden betreffen, die in hohem Masse vom Tourismus abhängen, einer anderen Branche, die allgemein als eher strukturschwach gilt. Das könnte zu einem zusätzlichen Druck auf die regionale Wirtschaft in Berggebieten führen, die ihre komparativen Vorteile im Tourismus und in der Wasserkraft haben.

Von flexiblen Wasserzinsen profitieren

In einem flexiblen Wasserzinsmodell wären auch Perioden mit Zahlungen über dem aktuellen Niveau von CHF 110 pro Kilowatt installierter Leistung möglich. Folglich könnten die Gemeinden bei guten Marktverhältnissen am Erfolg der Wasserkraft teilhaben. So könnten Gemeinden, die im Falle einer Senkung am stärksten betroffen wären, umgekehrt auch wieder stärker profitieren.

Alles in allem gilt es bei einer Diskussion um das Wasserzinssystem neben den Wasserzinszahlungen auch die dadurch induzierten Effekte zu erfassen. So wirken sich Änderungen bei der Verteilung der Einnahmen aus der Wasserkraft direkt und/oder indirekt auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Alpenraum aus. Somit gilt es, nicht nur eine rein wirtschaftliche, sondern vor allem eine politische Entscheidung im föderalen System der Schweiz zu treffen.

Auf dem Weg zu mehr Transparenz

In diesem Zusammenhang ist weiter zu beachten, dass die Wasserzinsen (Nutzungsgebühren) nur einen Teil der Einnahmen (Ressourcenrenten) aus der Wasserkraft darstellen. Bei einer einseitigen Fokussierung auf die Wasserzinszahlungen werden die Dividenden vernachlässigt, welche hauptsächlich an die Mittellandkantone ausbezahlt werden. In wirtschaftlich guten Zeiten sind diese mindestens genauso wichtig wie die Wasserzinsen und müssen daher auch berücksichtigt werden, wenn die Wasserzinsen im nationalen Finanzausgleich miteinbezogen werden sollen. Zu diesem Zweck ist bezüglich den effektiven Gewinnen der Wasserkraft mehr Transparenz erforderlich. Dieser Herausforderung muss sich die Schweizer Wasserkraft auf dem Weg zur vollständigen Marktliberalisierung stellen.

 

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